1963 schien der Wallace-Streifen „Der Zinker“ in vielerlei Hinsicht sehr modern, was heutzutage vielleicht nicht jeder nachzuvollziehen kann. Ein frecher Inspektor, der sich dreist wie nie im deutschen Film gegen Konventionen durchsetzen kann; ein junger ungewohnt animalischer Mann, der sich den Konventionen aller üblichen sozialen Bindungen entzieht und ein parodistisch gezeichnetes Establishment sind nur einige wenige Beispiele dafür.
Auch die Hauptdarstellerin Barbara Rütting (1927-2020) ist deutlicher denn je ein neuer Frauentyp in den Wallace-Filmen. Der existentialistisch anmutende schwarze Kurzhaar-Bob und ihre erwachsene Stimme sind die auffälligsten äußeren Zeichen ihrer Unkonventionalität. Krasse Gegensätze zu Brigitte Grothum oder Sabina Sesselmann in den Filmen von 1962! Aber Bände spricht vor allem ihre emanzipierte Tätigkeit als Schriftstellerin, die in ihren Krimis genauso wie in den Wallace-Filmen ordentlich morden lässt. Sie ist dem frech zielstrebigen Heinz Drache ebenbürtig und man fragt sich, ob man sie gar verdächtigen sollte. Ebenso ist das in „Neues vom Hexer“ (1965). Sie ist eine unkonventionelle Malerin im hautengen schwarzen Dress, deren Kunst und Lebensweise im Atelier eher an eine Studentin in den späten 60iger Jahren erinnert. Und aufmüpfig ist sie auch noch, ganz besonders der älteren Generation in Person von Brigitte Horney gegenüber. Man spürt hier sogar leicht schadenfroh sadistische Anflüge bezüglich der konsequenten Ausrottung ihrer Verwandtschaft.
Barbara Rütting agierte des weiteren in zwei Bryan Edgar Wallace-Filmen, in denen sie ähnliche Frauenrollen spielte. In „Das Phantom von Soho” (1963) ist sie wie im Zinker eine Kriminalschriftstellerin - nicht nur gegenüber der älteren durchweg unsympathischen Generation aufmüpfig: sie dezimiert diese Unholde persönlich! In dem späten “Der Todesrächer von Soho” (1972) wird nichts mehr versteckt oder angedeutet. Jetzt noch klarer fetischistisch steht sie als starke Frau in schwarzem Lack auf der anderen Seite des Gesetzes.
Das Aufmüpfige war in den 60iger Jahren jenseits des Mainstream der Zeitgeist ihrer Rollen. Sie prägte damit ein spektakuläres Frauenbild, das ganz exzellent in die Wallace-Filme passte, da auch die Filme von der Lust erfüllt waren, die ältere Generation zu quälen, mal weniger und mal mehr sadistisch. Insofern ist Barbara Rütting fast eine Ikone der Serie und man verbindet die Schauspielerin Barbara Rütting schnell mit Edgar Wallace - was ihr selbst womöglich gar nicht so recht war.
Die wurde später Politikerin, immer abseits des Mainstream. Als “Die Grünen” ihr zu konventionell wurden, wechselte sie in eine kleine Partei, dann wieder zurück. Stets kampfbereit für Tierschutz und vegane Ernährung sah man sie häufig in Talkshows.
Als die Wallace-Filme im Laufe der Zeit zu gediegenen alten Klassikern geworden waren, entsprach diese Filme nicht mehr Barbara Rüttings Aufmüpfigkeit. In Interviews äußerte sie sich geringschätzig, weil Krimis die Zuschauer zu lustvollen Voyeuristen von Mordszenen mache, was sie moralisch entschieden ablehne.
War ihre Aufmüpfigkeit in den 60iger Jahren noch bei Wallace gut aufgehoben, so war später die Aufmüpfigkeit in der Ablehnung dieser Filme am besten möglich.
Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.