Ordentlich inszenierter Kriminalfilm in deutsch-englischer Co-Produktion, der weniger dem Stil der deutschen Serie folgt, sondern mehr Heist-Movie ist. Von der konventionellen Gestaltung hebt sich der fantasievolle Soundtrack von Peter Thomas ab.
Dem Londoner Geschäftsmann Trayne glückt der Raub der Kronjuwelen aus dem Londoner Tower, in dem er einen Wachmann durch einen Doppelgänger ersetzt. Natürlich glückt die Aufteilung der Beute um so weniger und so werden die Zuschauer Zeugen dessen, was man von einem Heist-Movie erwarten darf.
Das Verrätertor - ein Ausflug nach London
Wir reisen zwischendurch nach London/England für einen weiteren Edgar-Wallace-Streifen aus Horst Wendlandts Rialto-Film-Küche. Wie bei jedem Ausflug in die Fremde sollten wir allerdings wissen, dass es anderswo nicht genauso ist, wie wir es von zuhause kennen. Das gilt besonders auch für Edgar-Wallace-Filme, die ja eigentlich an der Elbe oder im Grunewald gedreht werden müssen, um als echte Edgar-Wallace-Filme durchzugehen. Als tolerante Europäer akzeptieren wir doch jetzt bitte einmal, dass Wallace ausnahmsweise in seinem Heimatland an Originalschauplätzen gedreht wurde und finden uns damit ab, das echte Engländer sich ihre Hauptstadt nur schwerlich als Dauernebelkulisse für blinde Mörderbanden und ihre Parks als Hort vermummter Klosterbewohner vorstellen können.
Da es in „Das Verrätertor“ (1964) um nichts geringeres als um den Raub der britischen Kronjuwelen aus dem Londoner Tower geht, lag es nahe, diese Story ausnahmsweise vor Ort zu verfilmen.
Der sympathische Regisseur Freddie Francis legt uns einen ordentlichen Heist Movie hin, also einen Film, in dem es detailliert um Planung, Raub und schließlich Verteilung der Beute geht. Francis war eigentlich ein hoch geschätzter Kameramann, der seit einigen Jahren zusätzlich auch selbst inszenierte- vor allem Horrorfilme. Zu der englischen Crew gesellte sich Filmkomponist Peter Thomas, der hier wieder einmal mehr mit unverwechselbarer Kreativität glänzte. Tip: Der Titel „Aha!“ ist der Eddi-Arent-Track schlechthin! Vielleicht ist der Sound auch das Element des Films, das am meisten an die rein deutschen Wallace-Filme erinnert.
Die Darsteller waren eine gut kombinierte englisch-deutsche Mixtur. Albert Lieven, klassischer Gentleman-Filmbösewicht, lebte seit langem schon in London, drehte Filme sowohl in England als auch in Deutschland und beherrschte somit beide Sprachen perfekt. Wie schon in „Das Geheimnis der gelben Narzissen“ (1961), ebenso eine deutsch- britische Koproduktion, war er schon deswegen eine gute Wahl für die Rolle des Drahtziehers. Aus heutiger Sicht wirkt er fast zu wenig böse, aber in den guten alten Zeiten hatten selbst die Dunkelmänner beste Kinderstube genossen. Die charmante Margot Trooger, die ebenfalls auf der Seite des Verbrechens steht und so tragisch scheitert, gefällt hier genauso gut wie als Gattin des Hexers. Gary Raymond in einer Doppelrolle überzeugt besonders als Gangster, Bond-Girl Catharina von Shell ist die süß- naive „Damsel in distress“ und der ewig Fingernägel kauende Kinski ist gut für eine einige besonders kultige Aufnahmen. Ich denke an die Szene, in der er vom Hubschrauber auf das Schiff abgesetzt wird. Plakatwürdig!
Als deutscher Tourist Hector macht Eddi Arent stellvertretend für uns die Reise nach London und gerät tief in den Strudel der Wallace-Geschichte. Er überzeugt in seiner vielleicht größten Rolle in einem Wallace-Films. Dabei ist er besser und geschmackvoller in Szene gesetzt als in manchen deutschen Filmen. Leider ist dieser Film auch schon fast das Ende seines Komiker-Status innerhalb der Filmreihe.
Das Spannendste bei einem Heist Movie ist selbstverständlich immer, was wohl nach dem erfolgreichen Raub passiert. Natürlich will jeder Gangster alles für sich allein und zwangsläufig gibt es Tote. Sowas ist immer ein Fest fürs Publikum, denn jetzt schlägt die Moral zu und jeder Übeltäter bekommt seine Packung. Aber ist es hier auch so?
Was wird also mit den englischen Kronjuwelen passieren? Wird Kinski sie bekommen und für immer behalten? Oder werden diesmal die Guten siegen und die Kronjuwelen kommen in den Londoner Tower zurück?
Meckern wir bitte nicht über einen anständig gemachten und liebenswerten Film, sondern nehmen ihn als interessanten Ausflug nach England wahr. Wenn wir zurück sind, können wir uns ja wieder „Der unheimliche Mönch“ oder „Der Hund von Blackwood Castle“ ansehen.
Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.