Mit jedem Farbfilm versuchten Alfred Vohrer und Horst Wendlandt immer noch eins draufzusetzen. Drei Edgar-Wallace-Filme pro Jahr, die sich immer weiter überbieten sollten! Das Prinzip „mehr ist mehr“ muss hier wohl den Machern in die aktionistischen Köpfe geschossen sein. Es war wie beim Turmbau zu Babel. Die Frage war, ob es auch diesmal noch gelingen würde.
Alles, was an aufregenden Schauplätzen taugen könnte, war schon in den Wallace-Filmen seit 1966 bis zum Zenit ausgereizt worden: Londons Kanalisation, düstere Mädchenheime, Irrenanstalt, nebelverhangene Schlösser, Moorlandschaft. Hatte man noch etwas vergessen?
Horst Wendlandt verlor sich bezüglich der Wallace-Filme inzwischen in Fantasien, die so maßlos wie infantil waren. Unbedingt wollte er einen Film mit einem Gorilla. Oder aber ein Film mit dem Titel „Die grausame Puppe“ schwebte ihm vor. Und auch der Filmtitel „Die lachende Leiche“ schien ein potentieller Knaller sein zu können. Die Inspirationen holte man sich aus dem bunten Geisterbahn-Sortiment.
Aus der „lachenden Leiche“_ machte Drehbuchautor Ladislas Fodor schließlich die Filmstory „Im Banne des Unheimlichen“, die das Thema Leichen gründlich beackerte. Uns kommt natürlich sofort ein prätentiöser Schauplatz in den Sinn: nebelverhangener Friedhof und Dorfkirche mit Grabkammer! Dazu ein paar hübsche Einstellungen im Nebenschauplatz Krankenhaus und fertig ist die düstere Szenerie!
Regiemeister Vohrer enttäuschte seinen Produzenten Wendlandt nicht und steigerte nach dem ohnehin schon überdrehten Jubiläumsfilm „Der Hund von Blackwood Castle“ die Maskerade bis ins Karnevaleske.
Die Frage ist, warum „die Leiche“ lacht und nicht die Menschen, die dem Verkleideten begegnen. Gut, er hat einen Ring mit einer Giftnadel am Finger, aber statt schreckverzerrt stillzuhalten, bis der Unheimliche nun den Mord umständlich durchführt, könnte man sich einfach lachend entfernen. Aber vielleicht hatten auch alle gerade George A. Romeros „Zombie“ im Kino gesehen und wussten um die Schrecken, die von vermeintlich Toten ausgehen kann. Zombie? Gute Idee! Auch gleich in den Film eingebaut, samt Vodoo-Zinnober, allerdings ohne so recht Ahnung von diesen brandneuen Genre zu haben, das sich innerhalb der kommenden zehn Jahre entwickeln sollte.
Zu Vohrer und Wendlandt gesellte sich Peter Thomas als Komponist, der schon immer für das Prinzip „mehr ist mehr“ stand. Mühelos kann er seinen ekstatischen Sound noch weiter in die Höhe treiben und bietet uns erstmals einen wirklich gesungenen Titelsong an, vielleicht durch die James-Bond-Filme inspiriert. Die skandinavische Sängerin Lil Lindfords darf den Song auch in einer Szene mit Power performen, bevor sie sich als erpresserische Barsängerin im Backstagebereich ermorden lassen muss.
Auch der neue Scotland-Yard-Chef Hubert von Meyerinck steht für das „mehr ist mehr“ -Prinzip. Sein Spezialgebiet ist hemmungsloser Klamauk ohne Maß und ohne jedwedes Schamgefühl. Die ganz harten Humorkonsumenten kommen hier voll auf ihre Kosten, denn „Hubsi“ hat immer noch eine Schenkelklopf-Attacke parat.
Wolfgang Kieling ist für die expressive Dramatik zuständig und liefert erfreulich beeindruckende Angstzustände. Der für unheimliche Figuren geeignete Peter Mosbacher darf hier nur tumbe Mimik liefern und leider wenig schauspielern. Alle anderen Darsteller kommen auch nicht so richtig in Fahrt oder sind etwas beliebig besetzt.
Hauptdarsteller Joachim Fuchsberger hatte sich im kurz zuvor gedrehten Fernseh-Dreiteiler „Der Tod läuft hinterher“ gerade wieder einmal mehr als der deutsche Krimi-Hauptdarsteller schlechthin empfohlen. Doch in diesem Friedhofsspektakel kann er zwischen den sich überstürzenden drastischen Ereignisse und den Humorattacken seines Vorgesetzten sein eigenes Charisma nicht so richtig entfalten und bleibt in Routine stecken. Und die attraktive Schwedin Siw Mattson wird als Hauptdarstellerin mit Emma-Peel-Selbstbewusstsein ausprobiert.
Regisseur Alfred Vohrer, Zoom-Experte Karl Löb und Soundkoryphäe Peter Thomas wissen, wie man auf die Pauke haut. Und so entstehen Szenen, die zweifellos Spaß machen. Darüber hinaus wurde alles genutzt, was dieser Geisterbahnfahrt irgendwie noch helfen könnte, zeitgemäß und populär zu sein. Doch die inflationären Zutaten auf dem Rücken des Altmeisters Edgar Wallace hinterlassen gleichzeitig auch einen etwas schalen Eindruck, denn man schien Angst um den Erfolg gehabt zu haben, was man als Zuschauer merkt.
Jeder muss für sich entscheiden, inwieweit er bereit ist, sich auf diesen explosiven Hokuspokus einzulassen. Aber eine Sache ist auf jeden Fall schade: Der Orginalroman „The Hand of Power“ von Edgar Wallace ist eine stimmungsvolle und unheimliche Geschichte, die sich auch mal gelohnt hätte zu verfilmen. Davon sieht man hier nichts, denn dem Slogan „Es ist unmöglich, von Edgar Wallace nicht gefesselt zu sein“ hat man nämlich schon längst nicht mehr getraut.
Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.