Es ist so bedauerlich, dass bei diesem Film die Eingangssequenz fehlt, die ganze Sache wäre mit den bereits gedrehten Szenen sicherlich viel runder geworden und die Handlung wäre verständlicher geworden, zum Beispiel die Entlarvung eines Haupttäters. Aber diese Szenen, die man teilweise immerhin im Trailer sehen kann, fehlen leider wohl unwiederbringlich.
Trotz dessen haben wir es hier mit einem der erfolgreichsten und einem in mehrerer Hinsicht hervorragenden Film zu tun.
Sehr gelungen ist die Idee, die Handlungsorte allmählich immer weiter in unheimliche Gefilde zu treiben: nach der verschollenen Eingangsszene beginnt der Film am Bahnhof, tagsüber, an einem profanen öffentlichen Ort, in den das Verbrechen dringt. Die Steigerung ist die Londoner Privatwohnung des Inspektors zu nächtlicher Stunde. Jetzt sieht man erstmals den furchteinflößenden Mörder Giacco. Dann wird’s einsamer: wir lernen das schon am Tage unheimliche Selford Manor kennen. Unangenehmer wird es darauf nachts im Park des Anwesens. Wenig später befinden wir uns dann zusammen mit Sybil Landsdown im ersten Stockwerk bei den Codys in einem kleinen Raum mit Schlagen eingesperrt, aber es geht noch schlimmer: die nächste Station ist der gruselige Operationskeller von Dr. Staletti und der finale Ort ist schließlich die Gruft mit verwesenden Gebeinen.
Diese Entwicklung hat etwas von einem Sog ins Düstere, der sich schon vorher immer wieder durch die Gestalten des Verbrechens andeutet, die man noch wie Fremdkörper in der profanen Welt wahrnimmt. (Staletti und Bird am Bahnhof, Mr. Cody am Flughafen).
Mehrfach hörte ich in meinem privaten Umfeld, dass man diesen Film als sehr beunruhigend und unheimlich im Vergleich zu anderen Wallace-Filmen wahrgenommen hat. Neben „Die toten Augen von London“ ist das vielleicht der beängstigendste Streifen der Schwarzweiß-Ära - aber das ist natürlich wie immer sehr subjektiv.
Ein weiterer Pluspunkt dieses Films ist die überragende Leistung der Schauspieler, die ausnahmslos mit spürbarer Lust bei der Sache gewesen sind. Nach Joachim Fuchsberger schafft es mit Heinz Drache erstmals ein Schauspieler, sich bei Rialto als Stamm-Hauptdarsteller zu etablieren. Pinkas Braun hat bekundet, dass ihm die Darstellung des größenwahnsinnigen Phantasten viel Vergnügen bereitet hat. Gisela Uhlen bringt die gefühllose und dominante Ehefrau in messerscharfer Perfektion. Werner Peters hat zusammen mit Heinz Drache seine beste Schauspielszene innerhalb der Serie und zeigt uns, auf welch hohem Niveau hier nuanciert gespielt wird. Aber auch Klaus Kinski ( trotz kleiner Rolle brilliant!) , Friedrich Joloff (warum sah man ihn nicht viel häufiger!), Jan Hendriks (herrlich frech) , Ady Berber (super Variation zum „Blinden Jake“), Hans Nielsen (mal sympathisch wirkend) und die attraktive Sabina Sesselmann sind auf höchstem Level dabei. Siegfried Schürenberg (erstmals in einem Rialto-Wallace-Film) und Eddi Arent bringen angemessenen und tatsächlich guten Humor ins düstere Geschehen.
Ich würde sagen, in der Summe haben wir hier einen der absolut besten Filme der Serie, was die Leistungen der Schauspieler angeht.
Regisseur Alfred Vohrer inszeniert die ganze Chose natürlich in seiner typischen Stilistik sehr kreativ und effektvoll. Auch die ungewöhnlichen Perspektiven der Kamera von Karl Löb und die diesmal etwas sparsamere Musik von Peter Thomas verstärken die Unheimlichkeit der Atmosphäre.
Dass die medizinischen Experimente starker Tobak sind und auch einige andere Punkte in ihrer Logik höchst fragwürdig bleiben, sei verziehen angesichts der tollen Show, die uns hier geboten wird. Gehen wir mit, Schritt für Schritt in die dunkle Welt des Grusels, denn genau dafür schätzen wir doch Edgar Wallace.
Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.