Der Würger von Schloss Blackmoor (1963)

Der zweite Bryan Edgar Wallace-Film möchte auch so erfolgreich sein wie die echten Edgar Wallace-Filme von Rialto. Hätte man damals Teenager in einer Schulklasse gefragt, was in einen Edgar Wallace-Film hineingehört, dann wären sicher Antworten gekommen wie: „Nebel, ein Schloss, ein maskierter Mörder, Moor, grausame Morde, ein unseriöses Nachtlokal, ein Lord, ein geheimnisvoller Butler, eine weibliche Unschuld etc.“. So hat wohl auch CCC-Produzent Artur Brauner gedacht. Während aber bei Rialto jeder einzelne Wallace-Film doch mit eigener Farbe und spezifischen Charakter gestaltet wurde, vertraut Artur Brauner nur auf das richtige Grundrezept, um so erfolgreich wie Rialto-Konkurrent Horst Wendlandt sein Geschäft zu machen.  Seien wir mal ehrlich, den Filmproduzenten waren Wallace und Sohn und deren Geschichten ziemlich egal. Unter dem Markennamen sollten lieber kompetente Drehbuchautoren die Geschichte so gestalten, dass die Erwartungen des Publikums ans Genre so befriedigt würde und somit die Kinokassen gut gefüllt werden würden. Folglich wurde alles ins Drehbuch gepackt, was dem Klischee entsprach. Mehr ist mehr, dann musste es doch klappen mit dem Erfolg! Allerdings, was die Kosten betraf, war weniger Ausgabe am Ende mehr Gewinn und der kluge Filmproduzent hatte da auch schon Möglichkeiten gefunden.

Brauner investierte in einen guten Regisseur, der zufällig den weiblichen Nonplusultra-Krimistar zur Ehefrau hatte, die somit gerne beteiligt war. Harald Reinl und Karin Dor waren das Pfund, auf das Brauner setzte. Walter Giller dürfte auch ein wenig gekostet haben, doch alle anderen Darsteller waren finanzierbar. Besonders die Besetzung mit dem noch relativ unbekannten Harry Riebauer in der Hauptrolle als Inspektor von Scotland Yard dürfte der Sparsamkeit guten Dienst geleistet haben. Filmkomponist Oskar Sala ersetzte mit seinem Trautonium ein größeres Musikerensemble. Dieses seltsame Musikinstrument zauberte zunächst willkommen bizarre Farben, deren Wirkung aber im Lauf des Films immer mehr zu einer nervigen und hilflosen Geräuschkulisse mutieren. 

Brauner kochte also eine Suppe mit möglichst vielen kräftigen Zutaten, die aber günstig bleiben musste. Damit war der Weg frei für die Entstehung eines ersten echten Trash-Produktes. Einige Jahre später kulminierte diese Entwicklung in der Zusammenarbeit mit Jess Frank alias Jesus Franco Manera. Bevor ein Missverständnis entsteht: Trash muss nicht schlecht sein, Trash kann einen Eigenwert haben, Trash ist die logische Konsequenz im Film ab Mitte der 1960er Jahre. Soweit will ich aber gar nicht gehen, wir sind hier erst am Anfang dieser Entwicklung.

Eine ganze Reihe guter Darsteller agierten in dem düsteren Szenario. Richard Häußler spielte den Rechtsanwalt Dr. Tromby unübertroffen schmierig, Hans Nielsen überzeugte einmal mehr als Bilderbuchbösewicht, Dieter Eppler stellte den wahnsinnigen Diamantenschleifer mit einer Klaus Kinski ähnlichen Intensität dar, Ingmar Zeisberg war ohnehin auf verruchte Bardamen spezialisiert und der sympathische Hans Reiser als guter Freund war ebenfalls perfekt besetzt. Fast etwas verschenkt ist, dass Rudolf Fernau als Gauner unter Druck in dieser Rolle nicht seine großartige Dämonie entfalten konnte, die man aus seinen früheren Kriminalfilmen kennt. Während Karin Dor ihren Job als Hauptdarstellerin wie immer zu aller Zufriedenheit erfüllte, blieb Harry Riebauer als Inspektor blass. Und gerade der Vergleich zwischen ihm und Joachim Fuchsberger oder Heinz Drache lässt diesen Streifen doch ein wenig als B-Ware im Verhältnis zu Rialtos Wallace-Produktionen erscheinen. Und dann ist da noch Walter Giller. Seine einnehmenden Markenzeichen sind Selbstironie und Charme. Er brachte eine Leichtigkeit in die schwere deutsche Filmlandschaft, die man nur bei sehr wenigen Hauptdarstellern der Zeit fand, in anderer Form war auch Joachim Fuchsberger ein Beispiel für jene Leichtigkeit. In den 1950er Jahren wusste man Gillers Typ meist nur als sympathischen Verlierer einzusetzen, am bekanntesten in Wolfgang Staudtes „Rosen für den Staatsanwalt“ (1959). Aber 1969 spielte er - ebenfalls unter Staudte - den Inspektor in „Die Herren mit der weißen Weste“ mit einer solch charmanten Lockerheit, dass man sich fragt, ob nicht er die perfekte Alternative für Fuchsberger und Drache in Inspektoren-Rollen gewesen wäre. Das wäre Brauner im vorliegendem Film wahrscheinlich zu riskant erschienen, deswegen bleibt nur die Rolle des Humor-Sidekick mit einigen angenehmen stilleren Momenten und den üblichen Übertreibungen.

Harald Reinl drehte mit professioneller Routine einen Film, den man ohne Zweifel als Epigone oder Serienprodukt bezeichnen kann. Entstanden ist ein annehmbarer Streifen mit gelungenen und spannenden Highlights, wie die aufregenden Szenen mit Dieter Eppler und Karin Dor oder das Ende des Mörders im Moor. Und hier war Brauner schneller als irgendein anderer! Dieses Motiv, das eigentlich aus Arthur Conan Doyles „The Hound oft the Baskervilles“ übernommen wurde, wiederholte sich ein Jahr später in „Das Wirtshaus von Dartmoor“, bei Horst Wendlandts „echten“ Wallace-Filmen erst zum 25. Jubiläum mit „Der Hund von Blackwood Castle“ (1967) oder besonders eindrucksvoll in der Kommissar-Folge „Der Moormörder“ (1970). 

„Der Würger von Schloss Blackmoor“ war an den Kassen erfolgreich. Das Grundrezept ging auf, also sollte es weitere Filme dieser Art hageln. Die deutsche Krimiwelle schlitterte damit allerdings in die Inflation; und das sollte man schon ein Jahr später an den Kinokassen spüren.

Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.