Die Todesstrahlen des Dr. Mabuse (1964)

Mabuse auf dem Weg in unsichere internationale Gewässer

Viel konsequenter als im Vorgänger „Scotland Yard jagt Dr. Mabuse“ (1963) treibt Produzent Artur Brauner die Mabuse-Serie jetzt in Richtung  Actionreißer  mit leichtem Science Fiction-Einschlag, um sich nicht länger an der allmählich in die Jahre kommende Wallace-Serie orientieren zu müssen. Während Brauner durchaus ganz eigene ambitionierte Filmvisionen hatte, suchte er im kommerziellen Genre-Kino – das Mabuse schon immer für ihn war – nach Orientierung bei gewinnbringenden Mitbewerbern. Was ist im Moment erfolgreich? Aha, James Bond! Jetzt also 007-Firlefanz statt Edgar Wallace. Kann man ja machen, ist aber für einen sparsamen Filmproduzenten deutscher Prägung letztlich eine unsichere Sache.
Die Co-Produktion mit Frankreich und Italien ermöglicht schon mal ein etwas besseres Budget. Wo sollte der Film spielen? Aus Budget-Gründen noch in Europa, aber so südlich und exotisch wie möglich. Die Lösung ist Malta, gedreht werden kann das dann genauso gut an den Stränden der Toskana. Und der etablierte Mabuse-Film-Hauptdarsteller Peter van Eyck hatte auch für das neue Konzept genügend kosmopolitische Attitüde. Ihm zur Seite wird die betörende Französin Yvonne Furneaux gestellt, dazu gibt es noch die attraktive Griechin Rika Dialina, beides Frauen,  die man guten Gewissens auch in Badebekleidung auf der Leinwand präsentieren konnte, was am Vorabend der sexuellen Befreiung von großer Wichtigkeit zu sein schien. Des Weiteren waren dabei:  „Quo vadis“-Legende Leo Genn aus England, Gustavo Rojo aus der Uruguay und den Mongolen Valérij Inkijinoff, der auf unheimlich Nordost-Asiaten im europäischen Trivialkino spezialisiert war. Wenn das nicht international ist! Dazu gesellen sich obendrauf die deutschen Theater-Schwergewichte O. E. Hasse (total unterfordert) und Ernst Schröder sowie als Unhold Walter Rilla. Stammdrehbuchautor Ladislas Fodor lieferte eine Story, die eine gute Grundlage für das Spektakel legte. So sah man Action-Unterwasserszenen, die bereits ein Jahr vor dem 007-Blockbuster „Feuerball“ ausprobiert wurden. Leider noch alles in Schwarzweiß, wie schön wäre das blaue Mittelmeer und alle anderen mediterranen Touristenattraktionen in Farbe gewesen! Zugegeben, womöglich hätte sich das böse Psychiatrie-Genie in einem bunten Umfeld auch gar nicht wohl gefühlt, und man fragt sich, was der da auch zu suchen hätte.
Schwer zu beurteilen ist Jahrzehnte nach der Entstehungszeit, ob es eine glückliche Idee war, den Argentinier Hugo Fregonese aus den USA einfliegen zu lassen, um auf dem Regiestuhl Platz zu nehmen. Fregonese galt in den USA als guter B-Film-Routinier für Western und Film Noir; Genres, die sich sehr ernst nahmen. In Deutschland hatte man derzeit undifferenziert Respekt vor allem, was aus Amerika kam. Vermutlich wären Regie-Spezialisten für gefälligen und selbstironischen Spaß aus dem Umfeld von Howard Hawks oder gar Frank Tashlin die adäquatere Wahl gewesen, aber die deutsche Schwermut in den frühen 1960er Jahren gab solchen Ideen wenig Platz.
Alles in allem ist „Die Todesstrahlen des Dr. Mabuse“ das Wagnis, die Serie ins bis dato unbekannte bunte Euro-Action-Fahrwasser zu lotsen. Dabei ist zwar vieles richtig gemacht worden, doch letztendlich verhindert die hölzerne Machart in Schwarzweiß einen großen Publikumserfolg. Als ich den Film nach langer Zeit mal wieder konsumiert habe, fühlte ich mich dennoch passabel unterhalten. 
Am Ende zählt im kommerziellen Film nur das Geschäft. Vergleichsweise großer Aufwand, geringes Einspielergebnis bedeutete für Artur Brauner: Schluss mit Mabuse!


Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.