Nach vier ernsten Filmen mit kleinen zusätzlichen Humoreinlagen bekommt die Wallace-Serie durch Jürgen Roland einen wichtigen Impuls: eine große Portion Selbstironie und Parodie werden jetzt und auch für spätere Filme bestimmend. Und das ist auch gut so, weil notwendig.
„Daraus kann man doch keinen Film machen. Unmöglich! Ein Mörder mit einem Flitzebogen? Das glaubt kein Mensch. Der grüne Bogenschütz? Absurder Gedanke!“; das spricht Eddi Arent zu Begin des Films direkt in die Kamera. Die sogenannte „vierte Wand“ wird durchbrochen, die Schauspieler kommunizieren mit dem Kinopublikum. Das ist antiillusionistisches Kino; oder mit ganz anderen Worten: niemand denkt, dass irgendwer einen Mörder getarnt als “Grüner Bogenschütze” ernst nehmen kann.
Das taten auch Drehbuchautor Wolfgang Menge und Regisseur Jürgen Roland nicht. Sicher sind die Edgar-Wallace-Filme eigentlich auch gar nicht ihr Lieblingsgenre gewesen. Solche Stoffe 1961 noch ernst zu nehmen, wäre Ihnen, die viel mehr Lust auf Halbdokumentarisches hatten, möglicherweise sogar peinlich gewesen. Und so machen sie aus dem Film ein selbstironisches und parodistisches Spektakel. Denn: „Die Leute wollen betrogen werden. Deshalb sind sie doch alle hergekommen!“ spricht nun Harry Wüstenhagen dem Kinopublikum ins Gesicht. Und genau das zeigt der Film witzigerweise in der ersten Szene: Es Publikum herbeigeströmt, um sich das alte Schloss anzusehen und Harry Wüstenhagen lügt Ihnen das Blaue vom Himmel herunter, wie die Macher des Films uns: „… hier schwankten ihre Leichen im Winde. Nur einer ließ sich nicht warnen: Das war der grüne Bogenschütze!“
Dann lassen wir uns also getrost von den Machern des Films die Taschen voll lügen, wobei Roland und Menge wissen, dass weder Zehnjährige an den Weihnachtsmann noch wir an den Grünen Bogenschützen glauben. Aber trotzdem gibt es einen Toten und schon sind wir doch irgendwie drin im Film.
Das ist ein genialer Einstieg in die krude Story und zwar nicht obwohl, sondern weil er nichts mit der Handlung zu tun hat. Freuen wir uns also auf eine Märchenstunde für Erwachsene.
Hier sehen alle Polizisten betont identisch aus - wie englische Privatdetektive nah am Sherlock-Holmes Klischee. Die Bösewichter hingegen sind fett, jähzornig, widerlich und eigentlich auch etwas dumm. Da ist zuerst einmal der großartige Gert Fröbe zu nennen, der hier eine Mischung aus Jonas Lauretz ( “Via Mala” (1961) und ein kleines bißchen Räuber Hotzenplotz ist. Aber auch Stanislav Ledinek, diesmal komplett kahlgeschoren,
ist ein Übeltäter wie aus dem Bilderbuch.
Karin Dor sparte unter Rolands Regie viel weniger mit Sex-Appeal als bei Ihrem Ehemann Harald Reinl. Mit erstaunlichem Mut und Selbstbewusstsein, dabei stylish im fetischistischen Dress kann sie sogar locker einer Emma Peel das Wasser reichen. Die Dor ist im übrigen auch viel mehr Hauptdarstellerin als Klausjürgen Wussow Hauptdarsteller, da er sich erst allmählich in der Geschichte als männlicher Held erweist.
Alle Figurenen in diesem Handlungs-Wirrwarr sind ins Extrem gezeichnete Charaktere, die sich fortwährend gegenseitig beobachten, bespitzeln und misstrauen. Das alles wirkt wie ein großes Gesellschaftsspiel für Erwachsene, bei dem sich am Ende zeigen wird, wer nun eigentlich was war.
Ein Manko des Films ist lediglich, dass das Spiel etwas zu harmlos bleibt. Das hat sicher einige Genre-Fans enttäuscht. Spätere Vohrer-Filme beweisen, dass es trotz berstender Selbstironie auch härter zugehen darf, was den Reiz an den sadistischen Wallace-Stories sogar erhöht.
Immerhin schaffen es Jürgen Roland und Wolfgang Menge, diesen Stoff als Parodie zu nehmen und trotzdem nah am Roman zu bleiben. Insofern ein ziemlich echter Wallace! Gerade die Injektion Humor sorgt dafür, dass man die doch schon etwas in die Jahre gekommenen Romane als Film auch noch immer genießen kann. Schließlich wollen wir zwar belogen, aber nicht für dumm verkauft werden. Und so kann man dann schließlich mit der Figur des “Grünen Bogenschützen” doch einen ansehnlichen Film machen.
Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.