Unbedingt wollte Produzent Horst Wendlandt einen Edgar-Wallace-Film mit einem als Gorilla verkleideten Mörder. Dabei waren schon die vorangegangenen Farbfilme stark auf ein naives jugendliches Publikum geeicht worden. Hier geht’s noch einen Schritt weiter in Richtung Kindergeburtstag. Während man anderswo auf der Welt immer beeindruckendere Kriminalfilme drehte, die ohne Faschingskostüme auskamen und ein viel größeres Angst- und Spannungspotential aufbauen konnten, hatte Wendlandt schon mehreren Drehbuchautoren die Gorilla-Idee vorgegeben und Drehbücher erhalten, die dann aus diversen Gründen doch nicht realisiert wurden. Erst mit “Der Gorilla von Soho” gab man sich 1968 im Jahr der Studentenunruhen fast der Lächerlichkeit preis.
Genauso schlimm wie die peinliche Sache mit dem zotteligen Tierpelz ist die Idee, als Drehbuch einfach noch einmal das Drehbuch des Kultklassikers “Die toten Augen von London” (1961) zu verwenden. Was hat die Verantwortlichen nur geritten? Aus dem Blindenheim wurde natürlich ein Mädchenheim, aus Reverend Dearborn wurde eine Oberin und der Blinde Jack wurde zum Affen. Dialoge übernahm man fast originalgetreu. Die schwarzweiße Nebelwelt Londons wurde zu einem farbigen Hippieort, der stark nach West-Berliner Atelier duftete.
Gut, Zeitdruck durch den Verleih mag der Grund für diese überstürzte Produktion gewesen sein. Trotzdem, so ein Film wirkt zwangsläufig wie der Ausverkauf der Serie durch deren eigene Initiatoren, die man für vergangene Filme bewundert hatte. Man fühlt sich als Zuschauer deswegen um so betrogener.
Aber da das Leben bekanntlich zu kurz ist, um alles Negative aufzulisten, möchte hier gar nicht Miesepeter sein, sondern lieber die Vorzüge dieses eigentlich zweifelhaften Films benennen. Denn diese gibt es durchaus und gelästert wurde über diesen Film bereits genug.
- der Film hat auch seine eigenen unheimlichen und spannenden Momente und liegt da im Vergleich zu anderen Filmen der Farbfilmaera sogar eher vorn. Der Auftraggeber im grauen Trenchcoat wirkt schon sehr unheimlich und Szenen wie die, in der sich Uschi Glas vor dem Killer in der Garage verstecken muss, sind schon sehr nervenaufreibend
- Peter Thomas liefert einen fetten Score mit wirklich beunruhigenden Dissonanzen in den Blechbläsern. Besser geht’s nicht.
- Inge Langen und Albert Lieven stehen Wolfgang Lukschy und Dieter Borsche in nichts nach - ein beeindruckendes Drahtzieher-Gespann.
- Uwe Friedrichsen und Horst Tappert hätten ein zukunftsweisendes Ermittlerteam werden können: Friedrichsen nicht so klamaukig wie Eddi Arent, Tappert sogar noch rauer als Heinz Drache. Noch weniger Albernheiten drumrum hätten ihnen gut getan.
- Alfred Vohrer ist so sehr Profi, dass auch in diesem Streifen immer noch solides Handwerk zu sehen ist.
- Ein allerletztes Mal enthält ein Wallace-Film immer noch Grundzüge in der Story, die wirklich auf Ideen von Edgar Wallace basieren.
Und da muss man sagen, haben Vohrer und Wendlandt vielleicht mehr ins Schwarze getroffen, als Ihnen bewusst war. “King Kong”-Erfinder Edgar Wallace hatte ein - wirklich sehr milde ausgedrückt - absolut kolonialistisch geprägtes Weltbild, in dem es vor Unter- , beziehungsweise Affenmenschen nur so wimmelte. Auch der “Blinde Jake” war eine typische Gestalt aus diesem Phantasiekosmos und daher ist es eigentlich nur konsequent, aus dieser Figur einen Gorilla zu machen. Und so ist es letztendlich Edgar Wallace, über dessen Jahrhundertwende-Zeitgeist man hier lachen kann. Horst Wendlandt sollte noch erfolgreichere Filme produzieren, Alfred Vohrer bessere Kriminalfilme inszenieren. Doch die fruchtbare Zeit für Edgar-Wallace-Filme neigte sich spürbar dem Ende entgegen.
Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.