In den frühen 1960er Jahren waren Chinesen dem deutschen Kinopublikum genauso fern wie die Marsmenschen oder der Mann im Mond persönlich. Um kulturelle Aneignung, Stigmatisierung und pauschale Diskreditierung kümmerte sich da niemand. Kann sein, dass hier in diesem Fall wenig politisch korrekt war. Andererseits tut Staatschef Xi Jinping gerade in der heutigen globalisierten Welt alles, um genau diese im vorliegenden Film geschürten Ängste vor Chinesen immer realistischer wirken zu lassen. Pinkas Braun haut als machtbesessener Halbchinese Fing Su kräftig auf die Pauke und kann erfreulich extrem agieren. Er ist dabei so wirksam in Szene gesetzt, dass ich ihm die Fernost-Maskerade viel eher verzeihe als dem ursprünglich für diese Rolle vorgesehenen Christopher Lee das ähnliche Kostüm in „Das Geheimnis der gelben Narzissen“ ein Jahr früher. Der fabelhafte Pinkas Braun macht nicht nur den abgrundtief bösen Anteil seiner Figur sichtbar, sondern zeigt auch geschickt die psychische Schieflage des Sektenführers. Wie bei Edgar-Wallace-Stories gut bekannt, müssen sich einige negative Personen bis zu ihrem effektvollen Ableben als Schachfiguren des Verbrechers (oder des Autos) dramatisch durch die Geschichte stoßen lassen. Charles Regnier und vor allem Werner Peters präsentieren das mit Bestleistungen, die innerhalb des Genres ihresgleichen suchen. Die anderen fähigen Darsteller wie Joachim Fuchsberger, Eddi Arent, Claus Holm, Fritz Tillmann und Doris Kirchner hatten das Pech, nicht ganz durchdacht angelegte Rollen ausfüllen zu müssen. Am schlimmsten traf es dabei Brigitte Grothum als derart naiv hilfloses Aschenputtel, das in einem Edgar-Wallace-Film der 1960er Jahre nicht mehr akzeptabel erschien. Barbara Rütting war in dem fast gleichzeitig gedrehten „Der Zinker“ schon mehrere Generationen weiter von den Gebrüdern Grimm entfernt und traf den immer aufmüpfiger werdenden Zeitgeist genau auf den Punkt. Das allerdings noch viel ernsthaftere Problem des Films ist das Fehlen irgendeines Geheimnisses, das uns Zuschauer fesseln könnte. Man kennt den Bösen, man kennt den Guten, und die Story ist uns schon bald klar. Wir können uns zurücklehnen und müssen nur noch zusehen, wie Blacky die offensichtlichen Konflikte in Griff bekommt. Wer hat inszeniert? Oh je, Franz Josef Gottlieb! Doch halt - bevor der fleißige B- oder gar C-Regisseur wieder einmal sein Fett abbekommt, sollte man lieber genau hinsehen! Und siehe da, es gibt auch sehr gelungene Szenen. Die lange Szene in der Mitte des Films, in der Joachim Fuchsberger in die düsteren Gebäude der chinesischen Sekte „Die freudigen Hände“ einbricht, um „die gelbe Schlange“ zu holen, ist wirklich spannend und unheimlich in Szene gesetzt. Damit ist die Gesamtdramaturgie dann auch ein bisschen weniger öde, wenn nämlich wenigstens die einzelnen Szenen etwas zu bieten haben. Schließlich kennen wir den Handlungsverlauf eines alten James-Bond-Films ja auch, bevor wir das Ende gesehen haben. Wir warten selbstverständlich nicht darauf, was passieren wird, sondern wie etwas passieren wird. Und im letzten Drittel dieses vorliegenden Streifens bietet der Regisseur uns doch sogar noch ein paar rätselhafte Momente, wenn da endlich ein misteriöser Kapuzenmann gegen die Sekte arbeitet. Insofern ist das hier durchaus eine Sternstunde in Gottliebs bunter Filmographie oder anders gesagt, vergleichsweise ein Wallace-Film fast im Durchschnitt. Und mit Schelte ist leider noch nicht vorbei. Man muss auch anmerken, dass die Filmmusik von Oskar Sala den Film nicht gerade veredelt. Seine Erfindung, das „Trautonium“, ist ein orgelähnlicher Supersynthesizer, der zwar zunächst bizarr-unheimliche Effekte generieren kann (wie in Hitchcock‘s „Die Vögel“ erfolgreich geschehen), der aber in anderen Zusammenhängen versagt, wenn zum Beispiel die aufkommende Liebe zwischen Fuchsberger und Brigitte Grothum eine musikalische Untermalung benötigt. Trautonium solo. Da hat Produzent Artur Brauner doch wohl am falschen Ende gespart. Nichtsdestotrotz, F. J. Gottlieb legt einen passablen Film hin, der zwar in der Masse der 1960er-Jahre-Krimis etwas untergeht, aber für die Genreliebhaber, die doch mal drauf stoßen, ist „Der Fluch der gelben Schlange“ eine interessante und düstere Abwechslung zu den viel selbstironischeren Rialto-Klassikern. Die politischen Inkorrektheiten vergangener Epochen sind übrigens ein endloses und zweifelhaftes Thema, das durch die politischen Inkorrektheiten der Gegenwart an die Seite gedrückt werden sollte.
Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.