1965 gab es bereits über zwanzig Edgar-Wallace-Filme, die in dem unglaublich kurzen Zeitraum von sechs Jahren entstanden sind; andere deutsche Krimis haben in etwa die gleiche Quantität. Mit anderen Worten: jetzt weiß man bei Rialto definitiv, wie es gemacht wird. Und trotzdem bleibt nichts so wie es ist, und in „Der unheimliche Mönch“ ist deswegen dann auch gleichzeitig vieles anders als vorher. Die Wallace-Filme treten in eine neue Phase, in die der Farbfilm-Ära, nur dass „Der unheimliche Mönch“ doch noch ein letztes Mal in Schwarzweiß gedreht wurde.
Was ist denn eigentlich alles anders?
1. Übergeht man einmal „Neues vom Hexer“, der gar keine Romanvorlage hatte, auch weil „Again the ringer“ bei Wallace nur Kurzgeschichten waren, so ist „Der unheimliche Mönch“ der erste Wallace-Film, der außer der Titelgestalt gar keinen Bezug zum Roman hat. Dabei ist der relativ kurze Roman „The terror“ durchaus eine ziemlich filmgerechte und spannende Vorlage um den wahnsinnigen Verbrecher „O‘ Shea“ und es verwundert ein bisschen, dass man auf Edgar Wallace Ideen komplett verzichtete. Übrigens sollte keiner der mehr als ein Dutzend weiteren Wallace-Filme bis allenfalls auf den Titel Bezug zu einem Wallace-Roman haben. Produzent Horst Wendlandt war der Meinung, die Stories müssten besser an den Zeitgeschmack angepasst werden.
2. Die Stories waren ab sofort inhaltlich weniger auf eine Geschichte fokussiert, als dass sie ins episodenhafte abglitten. Das sieht man auch daran, dass noch mehr Darsteller als bisher gebraucht wurden, die dann aber im einzelnen nicht mehr so eine große Rolle spielten und somit auch weniger Charisma hatten. In „Der unheimliche Mönch“ werden uns derart unterschiedliche Geschichten angeboten wie Mädchenhandel, Erbschaft und Rache für einen Lustmord.
3. Aus unterschiedlichen Gründen standen weder Heinz Drache oder Joachim Fuchsberger als Hauptdarsteller zur Verfügung. Mit dem Durbridge-Star Harald Leipnitz hatte man einen neuen Inspektoren-Darsteller gewonnen, der bereits bei Wallace einen Bösewicht gespielt hatte und durch einige Fernsehspiele und den Will-Tremper-Film „Die endlose Nacht“ ein sehr zeitgemäßes Image hatte. Leider musste Leipnitz unter seinen darstellerischen Möglichkeiten bleiben, denn weder in diesem noch in den folgenden Wallace-Filmen bekam der „Inspektor“ wie bisher die nötige Plattform, um mehr Charisma zeigen zu können. Leipnitz Rolle in dem Durbridge-Mehrteiler „Die Schlüssel“ war da sehr viel dankbarer.
4. Karin Dor war nicht mehr automatisch die jüngste und schönste Person in einem Wallace-Streifen: für den weiblichen Sex-Appeal waren jetzt zusätzlich eine ganze Horde junger Mannequins engagiert worden, unter ihnen Uschi Glas in ihrem ersten Film. Der Anteil junger Darstellerinnen wird ab jetzt sehr viel höher in der Filmreihe werden. Für Karin Dor ist es der letzte Wallace-Film. Dafür bekam sie anderswo Top-Rollen: Meiner Meinung nach war ihre beste Rolle „Juanita de Córdoba“ in dem Hitchcock-Film „Topas“ mit gehörig mehr Sex-Appeal als alle kommenden Hauptdarstellerinnen in Wendlandts Filmreihe haben sollten.
5. Klaus Kinski war ab sofort nicht mehr dabei - es sei denn, man bot ihm außergewöhnliche Rollen und gute Gagen. Die Wallace-Filme hatten ihm eine unglaubliche Basis für seine Karriere gegeben. Seine beeindruckenden Darstellungen waren große Kunst. Danach ging es ihm im internationalen Film mehr um Gagen während unangenehmerweise das Wallace-Image privat und in Talkshows ausgelebt wurde. Der arme Hartmut Reck musste für „Der unheimliche Mönch“ in Kinskis große Fußstapfen treten und schlug sich dabei noch ganz wacker. Für die Wallace-Legende Elisabeth Flickenschildt ist übrigens Ilse Steppat eingesprungen. Auch diese Rolle bot nicht mehr so viel Schauspielanreiz wie die Flickenschildt-Rollen früherer Krimis.
6. Eddi Arent stand nicht mehr als das komische Maskottchen der Wallace-Filme zur Verfügung. Na gut, er hatte noch zwei Momente, die an alte Zeiten erinnern. Die Zuschauer wurden gleich zweimal betrogen: Ein zuverlässiger Grundpfeiler der Filmserie wurde aufgegeben, gewissermaßen also ein Verrat an den Gesetzen der Serie und zweitens wurde uns die Überraschung eines neuen Bösewichts dann doch vorenthalten: der Haupttäter war bei der Entlarvung bereits tot, der Schauspieler hatte die Rolle eines Verbrechers, durfte aber keinen Verbrecher spielen. Das war ein Jahr später in „Das Rätsel des silbernen Dreieck“ dramaturgisch viel folgerichtiger und effektvoller. Ohne Eddi Arents frühere Komik fehlte den kommenden Filmen die Heimeligkeit, die man bei den ersten zwanzig Filmen so wertschätzen konnte.
Aber: da man mittlerweile bei Rialto wusste, wie es geht, kam dann doch ein Film dabei heraus, den viele Fans sogar als einen der besten der Serie feiern. Immerhin hat die frei erfundene Story trotz Schwächen in der Figurenzeichnung einen geschickten dramatischen Gesamtbogen. Harald Reinl inszeniert neben unheimlichen Szenen gut und gern Action, wovon der Film besonders im letzten Drittel profitiert und ein bisschen von Vohrers hysterischer Atmosphäre findet sich nun auch vor allem im ersten Drittel bei ihm wieder. Die besten Schauspielparts haben Siegfried Lowitz als übler Erbe und Rudolf Schündler als unheimlicher Sonderling. Peter Thomas komponierte Mitte der 60erJahre von Film zu Film neue Höhepunkte, die uns immer wieder stilgerecht vertraut erscheinen. Der in diesem Film sehr Saxophon-lastige aufregende Score ist ziemlich verwandt mit der Raumschiff-Orion-Musik und die Titelmusik ist ein Knaller!
Mit „Der unheimliche Mönch“ war man schon in einer neuen Zeit angekommen, in der vieles anders sein sollte, als es einmal war. Harald Reinl, Karin Dor und Siegfried Lowitz sollten nie wieder an einem Wallace-Film beteiligt sein, was wahrscheinlich aber eher ein Zufall war, denn Reinl zum Beispiel war mehrfach als Regisseur vorgesehen.
Horst Wendlandt war bewusst, dass sich die Zeiten massiv geändert hatten. Der Aufbruch in die Zukunft sollte seiner Meinung nach gelingen mit: mehr Action, mehr Morden, mehr Grusel, mehr Sex, mehr Klamauk, mehr Farbe. Allerdings mit weniger Stil, von dem man in „Der unheimliche Mönch“ doch noch etwas spüren kann.
Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.