Farbige Blumen, die ein Geheimnis versprechen, gibt es mehrfach in Wallace-Filmen und verwandten Streifen - bis in die Giallo-Ära. Der charmant unterhaltsame Roman von Edgar Wallace (The Devil's Daffodil) ist dafür das erste Mal die Grundlage, auch wenn es bei Wallace wortwörtlich genommen “teuflische Narzissen” sein sollen. Wie bei den meisten “farbiges Geheimnis” -Filmen fiel den Drehbuchautoren aber weniger als dem Altmeister des Kriminalromans ein. Im Roman gibt es ein ersonnenes Geheimnis um echte Narzissen, das wirklich eines ist; im Film hingegen wird uns schon gleich verraten, dass in gelben Plastikblumen Heroin geschmuggelt wird - und damit ist der Filmtitel auch schon abgearbeitet.
Na gut, die Filme entstanden ein paar Jahrzehnte nach den Romanen und wie so oft wollte man einen zeitgemäßeren Touch. Ein paar drogensüchtige und dennoch attraktive Barmädchen, die dem Mörder als leichtes Opfer zur Verfügung stehen konnten, waren dafür genau richtig und rechtfertigten außerdem die Sache mit dem Heroin. Ein ganz kleines bisschen Giallo kann man hier schon vorahnen: Blitzendes Messer, Gesicht verdeckt durch Maske, schwarze Handschuhe und attraktive weibliche Opfer bis Kleidergröße 34. Ansonsten folgt die Filmgeschichte in der Grundstruktur dem Roman.
Der Film ist allerdings weniger charmant als der Roman.
Liegt das vorrangig an dem Experiment einer deutsch-englischen Co-Produktion? Erstmals nach dem II. Weltkrieg entsteht ein gemeinsamer Film, wenn auch in zwei Fassungen mit teilweise wechselnden Schauspielern für die deutsche und englische Fassung. Auf deutscher Seite waren das Joachim Fuchsberger, Sabina Sesselmann und Klaus Kinski. Alle anderen Schauspieler wirkten in beiden Versionen mit. Völkerverständigung sollten wir natürlich alle erst einmal als positives Signal begrüßen, aber das heißt nicht automatisch, dass solche Experimente dann auch kulturelle Blüten hervorbringen. Die stilisierte, expressionistisch angehauchte und selbstironische Ästhetik deutscher Wallace-Filme wich einer kälteren und realistischeren Sichtweise Krimis zu machen. Dabei sind doch gerade die Engländer Meister der Selbstironie! Und wie charmant sind doch auch George Pollocks Miss-Marple-Filme jener Zeit! Dass aber die ausgeprägten Stilistiken beider Länder sich verhalten wie rosa zu orange sorgt für eine seltsame Diskrepanz insbesondere zwischen den Darstellern.
Vielleicht liegt es also doch wohl eher am ungarischen Regisseur Ákos von Ráthonyi, einem Tausendsassa mit operettenhafter Lebensgeschichte. Ráthonyi war Missionar in Indien, studierte Theologie in den Niederlanden, kämpfte zwischenzeitlich wieder als Soldat in Ungarn im Weltkrieg, war Regieassistent in London, Komödienregisseur in Deutschland und sicher noch vieles mehr. Ein Mann mit viel Erfahrung - außer im Kriminalfilm inszenieren. Es ist erstaunlich, wie phantasie- und humorlos er die Gestaltung angeht. Mit dem respektablen Drehbuch, dem erfahrenen Kameramann und der exzellenten Darstellerriege wäre da doch wohl viel mehr möglich gewesen. Komponist Keith Papworth macht eine ansprechende Titelmusik und versieht den Film mit ansonsten sehr heterogener Musik, von steif opulent bis zum zeitgemäßen Bongo-Conga-Gebretter.
Wenn man als Fan den Streifen zum wiederholten Mal sieht, kann man sich zumindest immer wieder besonders auf die Schauspieler freuen. Klaus Kinski bekommt hier eine auf den Leib geschneiderte Toprolle, aus der er schon mal Anregungen für seine späteren Talkshowperformances ziehen kann. Auch Ingrid van Bergen zeigt als sündige Bardame, dass sie Schauspielerin durch und durch ist. Und der gebürtige Deutsche Walter Gotell, spezialisiert auf russische Generäle bei James Bond, gibt einen originellen ignoranten Loser-Inspektor.
Ja, und dann ist da ja auch noch Christopher Lee als Chinese…
Der damals in Bezug auf exotische Rollen extrem schmerzfreie Schauspieler war zu vielem Unsinn bereit, weil er viele Filme auch nicht so schrecklich ernst nahm. Warum man es gut findet, ihn ausgerechnet als Asiaten verkleidet zu sehen, wird mir wohl immer ein Rätsel bleiben. Später lieferte er weitere faschingskompatible Auftritte in den “Dr. Fu Manchu-Filmen” und erntet auch heute noch kräftig Beifall von Hardcore-Fans. Das Drehbuch hätte da eigentlich sehr viel interessantere Möglichkeiten für ihn gehabt.
Alles in allem hat “Das Geheimnis der gelben Narzissen” das Glück gehabt, nach fantasievollen Vorgängern das volle Interesse des Publikums auf den nächsten Wallace-Film bekommen zu haben. So wurde dieser Streifen in Deutschland ein großer kommerzieller Erfolg der Serie - obwohl es trotz vieler guter Möglichkeiten kein Meisterwerk filmischer Gestaltung geworden ist.
Wer Rätsel um farbige Blumen liebt, kann ja auch mal den Roman lesen.
Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.