Erstaunlich oft war Siegfried Lowitz Polizist in Film und Fernsehen.
Ich denke, kein anderer deutscher Schauspieler hat so viele verschiedene Ermittler gespielt.
Hier eine Auflistung, die gerne ergänzt werden darf:
- Der Greifer (1958)
- Gestehen Sie, Dr. Corda (1958)
- Es geschah am hellichten Tage (1958)
- Der Frosch mit der Maske (1959)
- Bei Anruf Mord (1959)
- Es ist soweit ( Durbridge -6Teiler 1960)
- Der Fälscher von London (1961)
- Die unsichtbaren Krallen des Dr. Mabuse (1962)
- Die Physiker (1964)
- Der Hexer (1964)
- Die Gentleman bitten zur Kasse ( 3-Teiler 1966)
- Eine Tote soll ermordet werden (1972)
- Der Strick um den Hals ( 3-Teiler 1975 , mit einem Auge zugedrückt)
- Der Alte ( 100 Folgen, 1977-1986)
Warum eigentlich ausgerechnet Lowitz?
Rein äußerlich war er alles andere als ein starker Held, eher gedrungen, fast unauffällig - ein Durchschnittsbürger, der auch nicht gerade mit überdurchschnittlich ansprechender Optik gesegnet war. Ein typischer Deutscher, der einerseits weder dem nationalen Klischee des athletischen Blonden entsprach, andererseits aber auch nicht verbergen konnte, dass er nun mal deutsch war und wie die meisten anderen auch mit dieser Durchschnittlichkeit zurechtkommen musste.
Als Schauspieler aber war Lowitz weit über dem Durchschnitt. Er konnte seinen oft gespielten Durchschnittsbürgern eine beeindruckende Authentizität geben. Kleinbürger waren sein Metier, manchmal Spießbürger in Bedrängnis ( „Biedermeier und die Brandstifter“, „Babeck“ , „Derrick: Stiftungsfest“ ) , manchmal kleine Gauner in Nöten ( „Das schwarze Schaf“, „Der Kommissar: Geld von toten Kassierern“), manchmal aber auch bürgerliche Unsympathen („Haie und kleine Fische“ , „Die zwölf Geschworenen“ , „Edgar Wallace: Der unheimliche Mönch“).
So einer muss einen Polizisten spielen, denn die Voraussetzungen sind ideal, dass man diesem Schauspieler den einfachen Kriminalbeamten hundertprozentig abnimmt. Und der unprätentiöse Polizist wurde somit auch seine Lebensrolle.
Es ging in den 50er Jahren zunächst mit Filmen los, in denen ein übereifriger und dadurch oft unsympathischer Beamter voller Sturm und Drang gebraucht wurde. Lowitz war schließlich gerade erst über 40 Jahre alt und wirkt wie die Idealbesetzung. Aber mit seiner ersten Hauptrolle in dem Starter-Wallace-Film „Der Frosch mit der Maske“ (1959) verlor er sein Alter und war gefühlt 25 Jahre lang gleich alt. Seine einfache Bürgerlichkeit provozierte unsere Empathie. Und der Beamte, der nicht heldenhaft wirkte, wurde oft gebraucht. Meistens musste er aber eine Stufe hinter einem schillerndem Star zurücktreten.
In „Der Fälscher von London“ (1961) ist sein Chefinspektor der Hort der Vernunft im Wahnsinn des Geschehens. Und anders als die psychisch labile Aristokratie mit dem Hang zu Pferderennen in Ascot interessiert er sich mehr für proletarischen Fußball - so wie die meisten von uns. Aber am Ende des Films liegt Karin Dor in den Armen des viel interessanteren Hellmut Lange und der arme Lowitz kann nur viel Glück wünschen. So ist das Leben!
Schon 1964 war sein Polizisten-Image schon so etabliert, dass es in „Der Hexer“ fast als Karikatur diente. Das Unwirkliche dieses Inspektor Warren war dramaturgisch natürlich perfekt arrangiert und eine Ausnahme zwischen den vielen Ermittlerrollen. Auch hier darf er Margot Trooger und Sophie Hardy nur bewundern und muss alles andere Fuchsberger und Deltgen überlassen. überlassen.
Aber auch außerhalb der Wallace-Filme funktionierten Siegfried Lowitz Polizisten als Hort des Normalen in einer Welt des Wahnsinns, wie in dem großartigem Dürrematt-Fernsehspiel „Die Physiker“ (1964).
1966 wagte der NDR, mit einem Dreiteleiler den sensationellen englischen Postraub von 1963 auf den Fernsehbildschirm zu bringen. Natürlich spielte Lowitz den Inspektor und jagte Horst Tappert, der zu dieser Zeit noch auf Gangsterrollen festgelegt war.
1977 bekam Lowitz endlich eine eigene Fernsehserie und drehte als Kommissar Erwin Köster die ersten 100 Folgen. Leider blitzten hier und da in einigen Folgen schon mal die Eigensinnigkeiten eines alternden Starschauspielers durch, der sich selbst ganz woanders sah und dadurch das Ermittlerteam in einzelnen Folgen inhomogen wirken ließ. Mir zumindest erschienen Siegfried Lowitz frühere Rollen noch sehr viel schlüssiger. Dass er auch in anderen Rollen ein hochkarätiger Darsteller war, steht außer Frage. Das beweisen unter anderem seine Charakterstudien in vielen anderen Fernsehspielen.
Mit leicht verquasten Auftritten in Talkshows und so manchen Details seines Privatlebens machte er sich nicht gerade sympathischer. Auch Kollegen und Kolleginnen , wie z.B. Karin Dor, berichteten mehr oder weniger offen, dass Lowitz nicht immer ein leichter Partner war. Aber was soll’s: Ob Polizist oder nicht, Siegfried Lowitz war sicher einer der überzeugendsten deutschen Darsteller in Film und Fernsehen über vier Jahrzehnte hinweg.
Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.