In den 50iger und 60iger Jahren gab es infolge des Zweiten Weltkrieges viele Frauen, die ein bitteres Leben als einsame Witwe am Existenzminimum führen mussten.
Alt und nutzlos geworden, wurden sie einfach nicht mehr beachtet, spielten für niemanden eine Rolle mehr, es sei denn, sie wurden in irgendeiner Weise lästig, und dann wurde es gefährlich. Natürlich tauchen diese Frauen auch in Edgar-Wallace-Filmen auf; schon in Edgar Wallace’ Romanen gibt es sie.
Die Bremer Schauspielerin Hela Gruel war nicht nur die ideale Darstellerin solcher Frauen, sie lebte auch in Hamburg vor Ort, wo viele frühe Wallace-Filme gedreht wurden.
Ihr herbes Gesicht kündete von bitterer Lebenserfahrung und ihr kurz abgeschnittenes Haar symbolisierte, dass in ihrem Leben keine Art von Sinnlichkeit mehr stattfand. Bei Wallace wird das alles natürlich noch überhöht: Einsam, weggesperrt und sogar bevormundet - so fristete sie ihr Leben und wartete im Prinzip nur noch auf den Tod.
In “Der grüne Bogenschütze” (1961) ist sie in eine Mini-Wohnung im Keller von Garre Castle auf Lebenszeit weggesperrt. Nur Schlossherr Gert Fröbe besucht die Hoffnungslose von Zeit zu Zeit, um seinen Sadismus an deren Schicksal zu laben. Bogenschütze-Regisseur Jürgen Roland besetzte Hela Gruel noch in einigen “Stahlnetz”-Folgen und besonders effektvoll in dem Krimi-Zweiteiler “Die Katze im Sack” als sonderbare ältere Frau.
Auch “Das Gasthaus an der Themse” (1962) wurde in Hamburg an der Elbe gedreht. Hela Gruel spielte die bedauernswerte Witwe Anna Fuller, der sogar die Pflegetochter weggenommen wurde. Einsam und weinerlich ist sie der Mekka-Wirtin Elisabeth Flickenschildt eigentlich nur lästig. Eine der härtesten Szenen der Wallace-Filme ist schließlich Anna Fullers Ermordung, denn sie ist in dem Film das einzige und bei Wallace generell eines der wenigen Mordopfer, das unser Mitgefühl hat.
Die Hamburger Schauspielerin und Intendantin Ida Ehre spielte in “Die toten Augen von London” (1961) als Ella Ward eine ähnliche Rolle. In einer unterirdischen Behausung soll Ella Ward einfach samt Inventar verbrennen, wenn es nach David Judd ginge.
Auch eine Kommissar-Folge kommt mir da in den Sinn. In “Der Mord an Frau Klett” thematisiert die überflüssig gewordenen Frau mit Else Knott als Frau Klett.
Hela Gruel gefiel mir später im Fernsehen ausgesprochen gut als mit den heidnischen Naturmächten verbundene “Alte Buschen” in “Der Stechlin ”nach Fontane. Hier spielt sie mal keine überflüssige Witwe, sondern eine Art Naturheilerin, deren Heilkunst allerdings die Titelfigur nicht vor dem Tod bewahren kann.
Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.