Bitter war es oft im Leben für den hochbegabten, schwierigen und ständig unter Migräne leidenden Schauspieler und Regisseur Harry Meyen. Mit 18 Jahren kam er in KZ, weil er aus einer jüdischen Familie stammte. Als etablierter Theaterschauspieler hatte er in den 50iger und 60iger Jahren zwar immer wieder Filmangebote, aber seine zugleich etwas schwermütige und intelligente Ausstrahlung schien bestimmt zu sein für grüblerische oder eckige Charaktere. So waren es meist Rollen in zweiter Reihe, vor allem ausgerechnet als Nazi-Scherge brillierte er immer wieder. „Mörderspiel“ (1961) ist für Krimifans eine echte Abwechslung , da man einmal weit abseits von Mönchen und Nebel umwallten Gemäuern etwas völlig anderes versucht. Kein anderer als Harry Meyen beeindruckt hier als Mörder, und da der Film sich fast im französischen Chabrol-Stil gibt und aus der Sicht des Mörders erzählt wird, ist endlich einmal eine Hauptrolle für den Melancholiker drin.
In den 60iger Jahren bahnte sich für Harry Meyen eine immer größer werdenden Theaterkarriere als Regisseur an und er heiratete in zweiter Ehe Romy Schneider, mit der er auch ein Kind hatte. Doch während Romy Schneider immer mehr zum Weltstar mutierte, schließlich in Frankreich lebte und Affären mit interessanten Männern hatte, wurden Harry Meyen immer mehr Misserfolge als Regisseur beschieden und der Pechvogel wurde zunehmend nur als Romy Schneiders Anhängsel betrachtet. Leider war es keine gute Idee, Depressionen und Leere mit Hochprozentigem und Medikamenten zu lindern und nach endgültiger Scheidung und Trennung vom Kind hatte er seinen Alkohol- und Tablettenkonsum schließlich gar nicht mehr im Griff und erhängte sich 1979 an der Feuerleiter seines Hauses in Hamburg.
Bitter ist auch, dass in Edgar-Wallace-Fan-Kreisen Harry Meyen immer wieder als Fehlbesetzung in der Rolle des Inspektor Angel in „Die Gruft mit den Rätselschloss“ gesehen wird. Ich möchte eine Lanze für ihn brechen: er war sehr gut besetzt, er hatte genau die Ambivalenz, die Edgar Wallace dem Inspektor gegeben hat! Es geht aufs Konto des schwachen Regisseurs und Drehbuchautors, dass Inspektor Angel in so einem belanglosen und zusammen gestutztem Nirvana landete.
Harry Meyen spielte mehrfach in Fernsehkrimis intelligent, autoritär, grüblerisch, eckig, melancholisch aber auch dekadent wirkende Männer, die mal mehr und mal weniger verbrecherisch waren, so zum Beispiel in „Die fünfte Kolonne“, dreimal „Der Kommissar“ und zweimal „Derrick“.
Eine letzte Kracherrolle hatte er in der grandiosen Der-Alte-Folge „Toccata und Fuge“ als genialischer Mörder. Aber der Mörder geht trotz seiner Intelligenz bitter zugrunde - wegen der Liebe zu einer Frau, die ihn nicht mehr braucht.
Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.