Welch eine seltsame Karriere! In nur knapp neun Jahren spielte er komplexe Haupt- und Nebenrollen als sehr sympathische oder noch häufiger als sehr unsympathische Figur in mitunter sehr hochwertigen Kinofilmen und Fernsehspielen. Dabei war er in dieser kurzen Zeitspanne einer der wertvollsten Charakterköpfe des deutschen Films.
Robert Graf starte nach unbedeutenden Kleinrollen mit dem Avantgarde-Filmversuch „Jonas“ (1957) seine Karriere. Dieser ebenso mutige wie exzentrische Film des Psychiaters Ottomar Domnick sucht in der versteinerten deutschen Filmlandschaft der 1950er Jahre seinesgleichen und gilt vielen als das erste Beispiel des „Neuen deutschen Film“. Die komplexe psychische Situation der Titelfigur machte Robert Graf eindrucksvoll sichtbar und bekam daraufhin große Rollen in ambitionierten Vorzeigefilmen wie Kurt Hoffmanns „Wir Wunderkinder“ (1958) oder Alfred Weidenmanns „Buddenbrooks“ (1959). In diesen und noch mehr Filmen aber war Robert Graf Darsteller vitaler negativer Charaktere. Sein dunkler Typ und seine wache Mimik schienen ideal auf den Typ des verschlagenen und immer wieder auch geldgierigen Gegenspieler des Helden zu passen. Dabei vermochte der intelligente Schauspieler, seine Rollen sehr lebendig und packend zu gestalten, was ihn als unverbrauchten Charakterdarsteller auswies. Er spielte in weniger als zwei Jahren an der Seite von Hansjörg Felmy, O. W. Fischer, Heinz Rühmann, Peter van Eyck oder Heinz Drache und anderen und war damit einer der begehrtesten Darsteller des deutschen Films. Kein Wunder also, dass Horst Wendlandt ihn auch für einen Edgar-Wallace-Film engagierte. In „Der Fälscher von London“ (1961, Harald Reinl) gibt es den unangenehmen Basil Hale, der seine Schwächen Geld, Frauen und Alkohol nicht verbergen kann. Robert Graf macht diesen schäbigen Charakter zu einer sehr einprägsamen Erscheinung innerhalb der Wallace-Reihe. Und dennoch passte er noch besser in einen anderen Bereich, nämlich ins Fernsehen! Was ist schon Fernsehen gegen Kino, ließe sich einwenden, und ja, die Gage war natürlich beim Film viel besser. Künstlerisch war es allerdings nicht besser. Seine Darstellungskunst kam vor allem in naturalistischen Fernsehspielen zur Geltung. Und hier waren es eher positive Rollen, denn gerade seine unheldenhafte Erscheinung machte ihn zu einem authentischen Hauptdarsteller. Gleich drei Meisterwerke muss man hier nennen. Robert Graf spielte in „Die zwölf Geschworenen“ (1963, Rainer Erler) den Geschworenen Nr.8, der ein klares Todesurteil zum kippen bringt. In „Klaus Fuchs - Geschichte eines Atomverrats“ (1965, Ludwig Crmer) gab er die Titelfigur des höchst eindrucksvollen Dokumentarspiels. Und als drittes möchte ich noch „Portrait eines Helden“ (1966, Michael Kehlmann) nennen. Immer häufiger war er nun als Darsteller unbedarft sympathischer Bürger zu sehen, die in Konflikt mit einer amoralischen Welt geraten.
Nach nicht einmal neun großartigen Jahren verschwand Robert Graf wieder aus der deutschen Filmgeschichte. Der bedauernswerte Schauspieler hatte eine unheilbar bösartige Gefäßerkrankung, an der er Anfang 1966 im Alter von 42 Jahren verstarb, nachdem er kurz zuvor deswegen schon einen Fuß amputieren lassen musste. Die immer wieder kolportierte Behauptung, er hätte Suizid begannen, wurde schon juristisch unterbunden.
Robert Grafs Sohn ist der erfolgreiche Regisseur Dominik Graf.
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