Edgar Wallace ließ in seiner Romanwelt bestimmte immer wiederkehrende Typen auftauchen.
Einer davon war der verschmitzte Kleinkriminelle, dem man trotz seiner Zugehörigkeit zur Halbwelt letztendlich nicht böse sein konnte, weil er sich dann doch auf die Seite des Guten gegen das wirklich Böse stellte. Das tat er mittels einiger Streiche, die man aber sehr gern toleriert, weil man weiß, welch einem Unsympathen eins ausgewischt wird. Solch eine leicht komödiantische Figur ist Hacket in „Der Hexer“ oder in dem unterhaltsamen Roman „Im Banne des Unheimlichen“ findet sich auch so eine Figur.
1960 hat Jürgen Roland der Edgar-Wallace-Welle mit „Der grüne Bogenschütze“ erstmals eine kräftige Portion Selbstironie und damit einen Impuls gegeben, der die Serie nachhaltig geprägt hat. Und auch in dieser Romanvorlage gibt es den Typ des schelmischen Gauners.
Es ist innerhalb der Wallace-Reihe wieder einmal mehr gelungen, diesen Typen ideal zu besetzen: Harry Wüstenhagen (1928-1999) war nicht nur ein Naturtalent für Film und Bühne - er hatte auch eine starke komödiantische Begabung, schließlich war das Boulevard-Theater ja auch eines seiner liebsten Metiers. Außerdem hatte er schon in einigen Märchenverfilmungen stilisiert komische Figuren gespielt. Seine schlaksige Figur und seine virtuose Sprechfähigkeit unterstrichen einen quirligen Charakter mit unverkennbar berlinerischen Zügen, prädestiniert, freche Halunken zu geben, die wir irgendwie aber doch mögen.
Als Julius Savini in „Der grüne Bogenschütze“ hält er den bösartigen Gert Fröbe mehrfach zum Narren - selbst wenn es ein bisschen kriminell ist, drücken wir unsere moralischen Augen zu und haben wir unseren Spaß daran, denn es trifft ja den richtigen.
Einen ähnlichen Charakter spielt der „Wüsten-Harry“, wie ihn manche Kollegen nannten, als „Flimmer-Fred“ in „Die toten Augen von London“. Der Unterschied war nur, dass hier alles viel härter und gefährlicher war und somit der kleinkriminelle Erpresser am Ende selbst auf grausame Weise zum Opfer wird. In einem ohnehin schon ungewöhnlich starken Ensemble sticht Harry Wüstenhagen neben Borsche und Kinski als besonders brillanter Darsteller hervor. So hätte es weitergehen können, Rollen dieser Art hätte es in den folgenden Filmen genug gegeben. Allerdings wurden sie in Vohrer-Filmen oft mit Jan Hendriks oder sogar auch mit Klaus Kinski besetzt, obwohl Harry Wüstenhagen oft als Besetzungsoption im Gespräch gewesen war.
Man sah ihn erst in „Der schwarze Abt“ (1963) wieder, vielleicht nicht ganz optimal besetzt, der Erpresser Gilder hätte ihm möglicherweise mehr Gelegenheit zu brillieren gegeben. In „Die Gruft mit dem Rätselschloss“ (1964) ist die Größe seines Parts fast schon eine Beleidigung, mindestens aber Verschwendung von Talent.
Auch die Farbfilme „Der Hund von Blackwood Castle“ (1967) und „Der Mann mit dem Glasauge“ (1969) erlaubten Wüstenhagen statt brillianten Rollen nur prägnante Einlagen, denn die Farbfilme krankten sowieso oft an zu vielen Personen in zwangsläufig zu kleinen Rollen.
Harry Wüstenhagen spielte in einigen Stahlnetz- und Tatort-Folgen mit, hatte aber seltsamerweise nie eine Rolle in den Helmut-Ringelmann-Krimis „Der Kommissar“, „Derrick“ oder „Der Alte“. Dafür hat er als Synchronsprecher enorm vielen Stars seine Stimme geliehen. Und immer wieder viel und mit dem ihm eigenen Esprit Theater gespielt. Übrigens spielte er unter der Regie seines Wallace-Kollegen Heinz Drache in den 80iger Jahren im Schillertheater in Berlin in der Curt-Goetz-Komödie „Hokuspokus“.
In seinen ersten beiden Wallace-Filmen hat der Berliner Boulevardtheaterexperte einen so nachhaltigen Eindruck hinterlassen, dass man seinen Namen immer mit den Edgar-Wallace-Filmen verbinden wird.
Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.