Durbridge, Pater Brown, „Die Gentlemen bitten zur Kasse“, Jerry Cotton, Edgar Wallace, „Perrak“, „Der Kommissar“, „Das Kriminalmuseum“ und schließlich die weltweit erfolgreichste deutsche Krimiserie „Derrick“ - Horst Tappert war immer als maßgeblicher Darsteller dabei.
Zunächst sah es so aus, als wenn der hochgewachsene schlanke Schauspieler mit den vollen Lippen und den Tränensäcken unter den Augen der Gangster schlechthin wäre. In dem Straßenfeger (und das war wirklich ein Straßenfeger!) „Die Gentlemen bitten zur Kasse“ (1966) über den legendären englischen Postraub 1963 spielte er den Chef-Gangster im feinen Zwirn. So sieht also ein echter Gangster mit Stil und Manieren aus, dachte man da in deutschen Wohnzimmern vor der Flimmerkiste. Tappert war mit einem Schlag m ganzen Land bekannt. Und er hatte sein Image weg. Am besten auf den Punkt kam das Image des eleganten Verbrechers in der geschmackvollen Kriminalmuseum-Folge „Die Reifenspur“ (1968), in der Horst Tappert einen üblen Modedesigner spielt.
Aber viel wichtiger für seine Karriere war der Gangster-Gastauftritt als Douglas Fairbanks (!) in dem Jubiläums-Edgar-Wallace-Film „Der Hund von Blackwood Castle“ (1968). Nicht, dass seine Rolle hier so brilliant gewesen wäre, viel entscheidender war, dass er jetzt seinen zukünftigen Lieblingsregisseur Alfred Vohrer kennenlernte und dieser seinen zukünftigen Star.
In Deutschland konnte man sich bis in die späten 60er Jahre als Inspektor nur einen relativ jungen Womanizer oder einen gutmütigen Onkel vorstellen. Fuchsberger, Drache, Felmy oder Wernicke, Fröbe, Engelmann. Doch Vohrer sah auch französische und amerikanische Filme, in denen ganz andere Ermittlertypen gehörig Eindruck machen konnten. Wichtig schien da eher zu sein, dass ein charismatisches und unverwechselbares Äußeres, eine gewisse männliche Härte und die Bereitschaft auf Typenfestlegung gegeben waren. Mit anderen Worten: Horst Tapperts Stunde war gekommen. In Vohrers letzten beiden Wallace-Filmen spielte Ex-Gangster Tappert dann auch diesen neuen Ermittlertyp. Und siehe da: Das funktionierte ziemlich gut, nur das Genre stimmte nicht mehr so ganz. Und die Edgar-Wallace-Filme kamen gerade stilistisch ohnehin ins Strudeln. Auch wenn Tappert es selbst ganz anders sah: er war als Ermittler kein englischer Gentleman-Typ, sondern viel mehr ambitionierter deutscher Bürger. Vohrer besetzte ihn abermals als Inspektor, nämlich in dem Film-Unikum „Sieben Tage Frist“ (1969) und dem Exploitation-Reisser „Perrak“ (1970). Jetzt passte es! Tappert war zynisch, hart, frech und trotzdem konventionell denkend und dabei typisch deutsch: moralisch, wertekonservativ und zuverlässig. Ein neuer Ermittler war geboren, einer, den man hierzulande als glaubhaften Inspektor akzeptieren konnte. Aber wo und was sollte er spielen? Vohrer konnte ihm nur bei Simmel die Rolle eines Rechtsanwaltes im Simmel-Erfolgsfilm „Und Jimmy ging zum Regenbogen“ (1970) anbieten. Ansonsten spielte er im Kino - seien wir ehrlich - nur Mist. Letzte Billigfilme unter dem inzwischen völlig unsinnigen Wallace-Etikett boten letztendlich nichts als die nächste Gage. Fast drohte der Ausverkauf seines Ruhms.
Also Fernsehen! In der ARD sah man in der Reihe Tatort erstmals verschiedene neue Ermittler-Typen. Und das ZDF brauchte eine Alternative zum Kommissar, zumal Erik Ode immer weniger Lust auf stets dieselbe Rolle hatte. Horst Tappert, der sich damals in der konservativen Welt des ZDF viel wohler fühlte als in dem progressiveren ARD-Milieu, hatte sich in den Vohrer-Filmen bereits als Ermittler einen Namen gemacht und so waren Helmut Ringelmann, der Produzent, und Herbert Reinecker, der Autor, beide sehr angetan von dem neuen Hauptdarsteller. Widerborstig, kantig, handlungsfähig sollte der Charakter sein, gespielt von einem professionellen Schauspieler, der im Gegensatz zu Erik Ode potentiell noch mehr Durchhaltevermögen haben sollte. Nach einigen Folgen schlug Tappert vor, Alfred Vohrer ins Boot zu holen und dieser inszenierte sofort einige der besten Derrick-Folgen, denn Vohrer hatte das seltene Talent, auch sehr komplexe Stories mit vielen Akteuren verständlich in einen Film zu gießen. Nach 16 Jahren Kino kamen jetzt 25 Jahre Derrick auf Horst Tappert zu. Weltweiter Erfolg für die Krimiserie, Tappert wurde zu einem der bekanntesten deutschen Schauspieler; Oberinspektor Derrick wurde als Instanz des Fernsehkrimis etwas ruhiger und sehr viel kontrollierter.
Ab den 1980er Jahren, noch deutlicher nach Alfred Vohrers Tod 1986, konnten allerdings sowohl Drehbuch als auch Darstellung nicht mehr verbergen, dass die verantwortlichen alten Männer in eine seltsam pastorale Welt voller Denkpausen abgedriftet waren, in eine betagte Langsamkeit, die altmodisch erschien und so für zahlreiche Parodien herhalten musste. Aber nun gut, die Serie Derrick hat immerhin ein gewisses Niveau über einen langen Zeitraum gehalten und fast dachte man schon, das es ewig so weitergehen würde. Das Ende der Serie fiel den Verantwortlichen wohl schwer und der bedauernswerte Oberinspektor des mittlerweile 75jährigen Tappert durfte nicht einmal in Pension gehen, sondern hatte weiterhin in Brüssel noch für Interpol zu arbeiten. Und da würde er wahrscheinlich heute noch mit philosophischer Methode in Reineckers Geschichten ermitteln, wenn Horst Tappert nicht bereits 2008 gestorben wäre.
Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.