Er war in einer extrem fern anmutenden Zeit noch lange vor dem Dritten Reich ein wichtiger Darsteller im expressionistischen deutschen Stummfilm. Drei absolut spektakuläre Fritz-Lang-Filme ( “Metropolis”, “Spione”, “Die Frau im Mond”) boten ihm charismatische Rollen; in “Der Hund von Baskerville” (1927) durfte er den Mörder Stapleton spielen und unter seinen ersten Tonfilmen waren mit “Der Zinker” (1931) und “Der Hexer” (1932) gleich zwei frühe Wallace-Klassiker. Auch und vor allem Erich Kästners “Emil und die Detektive” (1931) machten ihn in der Rolle des Dieb schon damals zur Legende.
Viele Jahre später, als die Wallace-Filme 14 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg gedreht wurden, war die Welt eine ganz andere geworden. Eine junge zunehmend amerikanisch geprägte Generation in Deutschland stand zunehmend den konservativ wirkenden Männern in mittleren Jahren skeptisch gegenüber, wenn diese in lange etablierten Positionen waren: Heimleiter, Ärzte, Anwälte, Richter etc etc. Viele Schauspieler mit einst positivem Rollenfach in den 40iger und noch 50iger Jahren spielten das gleiche Rollenfach jetzt in negativem Kontext wie zum Beispiel Dieter Borsche, Richard Häußler, Werner Peters, Karl John etc etc.
Fritz Rasp ist eine deutliche Generation älter als diese Männer und deswegen ein ganz eigener Typ, der seit längerer Zeit im Kino auch nicht mehr so präsent war. Wie ein letzter Überlebender von noch viel früher. Diese Generation war schwer einzuschätzen, ob sie nämlich im Dritten Reich Opfer oder Täter war. Nun denkt man vielleicht, was hat das mit Edgar-Wallace-Filmen zu tun, die ja eh in England spielen. Aber jeder ist in der Zeit, in der man lebt gefangen und sieht alles in den Werten und Maßstäben der gegenwärtigen Welt, der man nun einmal nicht entfliehen kann. In den 60iger Jahren kommen die Gespenster der Vergangenheit zurück und damit auch Fritz Rasp.
In den meisten seiner fünf Wallace-Filme geht es folglich auch darum, was in der Vergangenheit war und Auswirkungen auf das Heute hat. Gleich in „Der Frosch mit der Maske“ (1959) tritt Rasp auf wie ein Geist. Fast wortlos verbreitet er maximale Unheimlichkeit. Als er in einer überraschend heftig eskalierenden Auseinandersetzung die Wahrheit und sein wirkliches Leiden herausschreit, ist es auch um ihn geschehen. Eine der besten Szenen der gesamten Serie! Wie ein Gespenst erscheint er zumindest visuell auch in der Schlussszene von „Der rote Kreis“ (1959). Ein weiterer Höhepunkt folgt in „Die Bande des Schreckens“ (1960). Als Vater von Inspektor Blacky Fuchsberger weiß er um mysteriöse Dinge aus der Vergangenheit, die erst durch die actionreichen Handlungen der jüngeren Helden offenbar werden. Wieder ist die obskure Vergangenheit Thema in „Die seltsame Gräfin“ (1961). Als geheimnisvoller Rechtsanwalt weiß er anscheinend um Verbrechen aus der Vergangenheit, die die eigentliche Ursache für Mordanschläge in der Gegenwart sind. Wie sehr er Mitwisser und damit schuldig ist, bleibt am Schluss des Filmes offen.
Und schließlich bietet er in „Das Rätsel der roten Orchidee“ (1962) als alter Millionär eine spektakuläre Mordszene, wenn die jungen Gangster ihn eiskalt mit Maschinenpistolen niederschießen. Leider war das schon Fritz Rasps letzter Wallace-Film. Wie gern hätte ich ihn noch in einem Vohrer-Wallace gesehen. Entschädigen kann das ein bisschen die Kommissar-Folge „Tod eines Ladenbesitzers“ (1971), in der Fritz Rasp den wieder einmal sehr geisterhaft wirkenden Mörder spielt. Charakteristisch für ihn waren seine aufrecht bis steife Körperhaltung, seine statische Mimik, die aber plötzlich sehr expressiv werden konnte und seine spärlich eingesetzte etwas fistelige Stimme mit leicht fränkischem Akzent.
Die Gespenster der Vergangenheit wurden in den 60iger Jahren nach und nach auch in den Wallace-Filmen getötet. Fritz Rasp sollte ein Denkmal für seine Filme sowohl der fernen Vergangenheit als auch der 60iger Jahre gesetzt werden.
Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.