Der 1,93 m große Christopher Lee ist in jeder Hinsicht ein erstaunlicher Ausnahmeschauspieler.
Fast ein Dutzend Sprachen beherrschte er, hatte schillernde Verwandtschaft ( zB den James-Bond-Erfinder Ian Fleming) und hält mit ca 280 Filmen den Rekord als meistbeschäftigter Schauspieler aller Zeiten weltweit.
Berühmtheit erlangte er 1958 durch seine Darstellung des legendären Blutsaugers “Dracula”, der ihn zu einer Ikone des B-Films werden ließ. Es folgten viele britische Horrorfilme - nicht nur Dracula-Verfilmungen - , in denen Christopher Lee Hauptrollen spielte . Schnell erlangte er den Ruf, der richtige Mann für alles Extraordinäre zu sein und so war er auch Sherlock Holmes, Dr. Fu Manchu, zunächst als Winnetou bei Karl May im Gespräch und spielte 1961 einen Chinesen in den Edgar-Wallace-Film “Das Geheimnis der gelben Narzissen” (1961), die erste englisch-deutsche Koproduktion der Nachkriegszeit. Der Film wurde in zwei Versionen mit englischen und deutschen Darstellern gedreht und da Lee auch deutsch sprechen konnte, spielte er in beiden Versionen den Ling Chu. Sofort sicherte sich Horst Wendlandt den Kontakt zu dem Alleskönner für eventuelle deutsche Filme.
Gleich ein Jahr später spielte Christopher Lee dann auch schon die Hauptrolle als amerikanischer FBI-Mann Allerman in “Das Rätsel der roten Orchidee” (1962). Im gleichen Jahr nahm man im allerseitigen Einverständnis glücklicherweise Abstand von der Idee, Lee den Indianer-Häuptling Winnetou in “Der Schatz im Silbersee” spielen zu lassen. 1966 folgte als dritter Wallace-Film die von Harry Alan Towers produzierte britisch-deutsche Koproduktion “Das Rätsel des silbernen Dreieck” , in dem Christopher Lee die meiste Zeit maskiert einen zwielichtigen Zirkusdompteur gibt und erst am Schluss des Films sein Gesicht zeigt.
Ja, Christopher Lee ist ein klasse Typ und ein toller Schauspieler, dazu privat sympathisch und charismatisch. Alles keine Frage. Manch einem reicht das schon, um ihn gern in einem Wallace-Film zu sehen, aber seien wir ganz ehrlich:
Der Chinese in “Das Geheimnis der gelben Narzissen” war schon 1961 mehr als gewagt; in “Das Rätsel der roten Orchidee” wirkt er in erster Linie aufgrund seines doch etwas gebrochenen deutsch sehr hölzern zwischen den deutschen Schauspielern. Und in seinem letzten Wallace-Film war er eigentlich gar nicht zu sehen. Zumindest seine Schlussszenen waren die besten Wallace-Szenen mit Christopher Lee insgesamt. Der Engländer war selbst nicht stolz auf diese Filme, trotzdem spielte er in seinen B-Film-Zeiten unbedenklich viel, selbst wenn er nicht restlos von der Qualität der Filme überzeugt war. Schon bei den Dreharbeiten zu “Das Rätsel der roten Orchidee” war er mit Regisseur Helmuth Ashley wenig zufrieden.
Trotzdem fühlt es sich als genialer Coup von Horst Wendlandt an, erstens einen echten englischen Schauspieler und zweitens den derzeit bekanntesten Horrorstar für Wallace engagiert zu haben.
Anfang der 70iger Jahre waren die Hammer-Filme, vor allem “Dracula”, zum Kult avanciert und Christopher Lee spielte den Bond-Gegenspieler Scaramanga in “Der Mann mit dem goldenen Colt” (1974). Damit war seine Zeit als B-Film-Star endgültig vorbei und Christopher Lee stieg in die erste Liga internationaler Schauspieler auf, was er sich - nach dem vielem, was er gemacht und teilweise wohl auch durchgemacht hat - redlich verdient hat.
Aber immerhin hat er unseren guten Harald Reinl im Nachhinein rehabilitiert, denn auch von dem deutschen Horrorfilm “Die Schlangengrube und das Pendel” (1967) war er während der Dreharbeiten wenig überzeugt. Als er den fertigen Film sah, änderte er positiv überrascht seine Meinung.
Was das Thema Wallace betrifft:
Immerhin hatten wir exotischerweise mal einen echten Engländer in den deutschen Wallace-Filmen.
Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.