Es ist mir etwas unangenehm, dass ich den Darsteller von miesen und dabei hellwachen Finsterlingen so grandios in seinen Rollen finde. Der Schweizer Schauspieler mit jüdischen Wurzeln entspricht nämlich sowohl von seiner äußeren Erscheinung als auch von seinem im Kriminalfilm bevorzugten Rollentypus des so hinterhältig intelligenten und gerissenen Charakters haargenau der antisemitischen Klischeevorstellung des hässlichen Juden. In dem Reinecker-Dreiteiler „Der Tod läuft hinterher“ wird er denn auch von Filmheld Fuchsberger ohne, dass der ihn bisher gekannt hätte, beurteilt: „Solche Visagen kenne ich!“ Fuchsberger als Edward Collins möchte am liebsten reinschlagen. Braun als John Evans quittiert das mit seinem Markenzeichen, dem frech-provokantem Grinsen, genau wie man es von „solch einem“ erwartet. Pinkas Braun war ein intelligenter und sehr vielseitiger Künstler; er fing an als Regieassistent keines geringeren als Bertolt Brecht, wurde Schauspieler, Übersetzer von Theaterstücken (vor allem aus dem Englischen ins Deutsche) und Hörspielsprecher mit unverwechselbar leicht schneidender Stimme. Besonders sein markantes und bisweilen überhebliches Lachen prägte sich dem Publikum nachhaltig ein. Neben unzähligen Fernsehspielen waren es vor allem Krimis, darunter fünf Edgar-Wallace-Filme, die ihn populär machten. In wirklich jeder Rolle spürt man seine sprühende Lust an den Darstellungen. Es sind meist gleichzeitig fiese wie vitale Charaktere jeder Couleur, manchmal rational, manchmal wahnsinnig. Eine Figur wie der narzisstische Dr. Staletti in „Die Tür mit den sieben Schlössern“ (1962) war eine tolle Gelegenheit, schauspielerisch mal so richtig auf die Pauke zu hauen. Pinkas Braun hat später gesagt, dass ihm diese Rolle viel Spaß gemacht hat. Das war wohl seine prägnanteste Rolle bei Edgar Wallace. Auffällig facettenreich spielt er auch den Gangsterschergen Felix in dem Alfred-Vohrer-Krimi „Wartezimmer zum Jenseits“ (1964), der zunächst verschlagen-sadistisch agiert und dann in fatale Schwierigkeiten gerät. Im Fernsehen hatte er seine wohl populärste Rolle als abgrundtief böser Sir Percival Glyde, den er wieder einmal brillant in dem ansonsten eher behäbigem Historienkrimidreiteiler „Die Frau in Weiß“(1871) verkörperte. Auch in „Hotel Royal“(1969) als durchtriebener Erpresser dürfte er manchem Krimifan im Gedächtnis haften geblieben sein. Pinkas Braun hat sich nach eigenen Angaben für eine Rolle geschämt: Die Darstellung des Chinesen Fing Su in dem verkorksten Wallace-Film „Der Fluch der gelben Schlange“ (1962) erschien ihm nachträglich rassistisch. Da spielte ein Jude einen Chinesen als Goebbels. Nach der Krimizeit drehte er noch einmal mit Regisseur Alfred Vohrer: In „Jeder stirbt für sich allein“ (1976) spielt er endlich keinen Bösewicht, sondern einen in der NS-Zeit verfolgten Jude und Widerstandskämpfer. Er spielte die Rolle wunderbar und da er mir als ein privat zutiefst sympathischer Mensch erscheint, genieße ich auch seine große Schauspielkunst.
Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.