Dass eine so lange anhaltende und erfolgreiche Filmserie wie die deutschen Edgar-Wallace-Filme 1970 tot sein sollte oder allenfalls italienische Giallos noch den Namen des englischen Schriftstellers nannten, war kaum zu glauben! Rialto-Produzent Horst Wendlandt sah, dass im Kino etwas anderes gefragt war und nach dem Erfolg von Dario Argentos „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“ (1969) lag es nahe, über eine Modernisierung nachzudenken. Sollte die so erfolgreiche Marke „Edgar Wallace“ nicht mit der Zeit gehen können? Die Stoffe von Wallace selbst ganz sicherlich nicht, aber der Name als Stempel für zeitgemäße klassische Kriminalfilme?
Ein Versuch wars wert.
Das Buch war schon mal gut gelungen, denn die Story gab interessante Rätsel auf und sorgte für einen fesselnden dramaturgischen Verlauf. Außerdem wurde größtenteils auf die zuletzt so albern gewordenen Klamaukeinlagen verzichtet. Nur noch Siegfried Schürenberg, der hier letztmalig wieder den Sir John spielte, war für Humor zuständig. Er ging diesmal an die Grenze des Geschmackvollen und wirkte wie ein aus der Zeit gefallenes Relikt vergangener Filme. Und Peter Thomas orientierte sich nun auch an aktuellen Vorbildern aus Italien, wenn er erstmals eine melancholische Titelmusik schrieb. Dabei blieb die Musik aber am Ende doch eine typische Peter-Thomas-Musik, deren Modernität oberflächlich war.
Wendlandt konnte ein ansehnliches Darstellerensemble aufbieten, das glücklich und weniger glücklich agierte. Der erfahrene Charakterdarsteller Hansjörg Felmy musste ratlos bleiben angesichts einer Rolle, in der es keinen Charakter zu spielen gab und es sollte doch wohl etwas peinlich für Horst Wendlandt gewesen sein, dass die Fernsehserie „Tatort“ dem guten Schauspieler mit der Rolle des Heinz Haferkamp viel besseres bieten konnte. Ivan Desny lässt gespannte Erwartungen aufkommen und blieb leider ebenso blass. Friedrich Schönfelder war zwar Profi genug, um alles spielen zu können, aber für die Rolle als Drogenhändler in der Maske eines Antiquitätenhändlers hätte es da geeignetere Darsteller gegeben. Und leider blieb auch Harry Riebauer mit dem vielleicht interessantesten Part des Films ziemlich austauschbar. Ich denke wehmütig an Pinkas Braun oder viele andere zurück.
Doch andere Darsteller wie Vadim Glowna, Günther Stoll, Friedrich Georg Beckhaus, Petra Schürmann oder auch Uschi Glas sind sehr treffend besetzt. Den besten Eindruck macht Werner Peters als abstoßender Großschlachter Baxter in der Rolle des schlimmsten Bösewichts dieses Streifens. Leider ist der großartige Schauspieler kurz nach Beendigung der Dreharbeiten an einem Herzinfarkt verstorben.
Es ist in diesem soliden Film zwar nichts katastrophal, es lädt aber auch nichts zu enthusiastischem Beifall ein. Alle Möglichkeiten sind da, werden aber nur brav verarbeitet, statt eine aufregende Form zu finden. Wem kann man dafür die Schuld geben? Es ist womöglich die kraftlose Gestaltung des Regisseurs Harald Phillip, die Figuren und Handlung im Mittelmaß lässt. Er hat nicht wirklich den Mut, entschieden in eine Richtung zu gehen. Aber konnte er anders? Und Wendlandt wollte es ja so.
Nein, Schuld an allem ist die neue Zeit, in der Edgar-Wallace-Filme nicht mehr den Nerv des Kinopublikums entzünden konnten. Es kamen stattdessen „Dirty Harry“, „French Connection“, „Der Pate“, Roger Moore als James Bond oder Bud Spencer. Bevor man unbedingt ein Pferd zu Tode reiten will, sollte man sich vorher vergewissern, ob der Gaul überhaupt noch lebt. Am besten betrachtet man „Die Tote aus der Themse“ als letzte passable Zugabe für die echten Edgar-Wallace-Film-Liebhaber.
Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.