Klaus Kinski erweist sich als überraschend eindimensionaler Hauptdarsteller in einem sparsam produzierten Psychothriller italienischer Machart. Sieht man darüber hinweg, dass London hier sehr mediterran wirkt, dann erleben wir immerhin eine einigermaßen fesselnde Story stylish serviert im Hippiemilieu. Der psychedelische Exploitation-Streifen wurde dem deutschsprachigem Publikum als Edgar-Wallace-Film verkauft, was zwangsläufig zu Enttäuschungen führte.
John Alexander sieht sich damit konfrontiert, dass seine enorm reiche Ehefrau Helen nicht nur hemmungslos ein erotisches Verhältnis mit ihrer Freundin zelebriert, sondern darauf auch eiskalt mit ihm Schluss macht. Dafür macht sie ihn zu ihrem Alleinerben.
Kurz darauf kommt Helen bei einem obskuren Autounfall ums Leben und wird bis zur Unkenntlichkeit entstellt.
Doch dann sieht John auf einer psychedelischen Party einen neuen Pornofilm, in dem offensichtlich Helen mitspielt.
Das Gesicht im Dunkeln - wer Hauptrollen spielen will, muss auch mal nett sein können
Ein Psychothriller mit internationaler Besetzung, stylischen Hippies, psychedelischen Clubs, dem ästhetischen Soundtrack von Nora Orlandi und einer rätselhaften Story - was will man mehr, so könnte man denken. Zumindest sind das die Gründe, mal wieder die DVD einzuwerfen. Aber es gibt auch gute Gründe, noch ein paar Jahre zu warten, bis man den Streifen noch ein weiteres Mal konsumiert: Unterirdisch dilettantische Tricktechnik, England statt Italien als Schauplatz (wir sind hier ja schließlich nicht bei Edgar Wallace), die nicht allzu überraschende Auflösung und die schlechte Laune, die der ewig miesepetrige Klaus Kinski verbreitet.
Eigentlich startet die Handlung sehr interessant und hält sich alle Optionen für den weiteren Verlauf offen. Ist Helen wirklich tot? Welche Rollen spielen die anderen Frauen? Oder ist ihr Ehemann selbst der Mörder? Insofern wäre Klaus Kinski als Hauptdarsteller richtig ausgewählt, denn man soll diesem Ehemann natürlich nicht hundertprozentig vertrauen können. 1969 spielte Kinski erstmals Hauptrollen, gerade zuvor hatte er den Marquis de Sade gegeben. Doch zu dieser Zeit verließ er sich schon zu sehr darauf, einfach Klaus Kinski zu sein. Wenn man meint, alles spielen zu können, muss man selbstverständlich auch einmal den Netten geben können. Und Kinski konnte durchaus nett rüberkommen, wie man hin und wieder aufgrund älterer Fotos und Filmaufnahmen ahnen kann. Und das hätte diese Hauptrolle irgendwann im Laufe der Handlung auch mal gebraucht. Aber das ständige “cool sein” - als befände man sich im wortkargen Italowestern wie immer kurz vorm Duell - zertrümmert leider auch den Spaß am Thriller. Fast könnte man auf die Idee kommen, dass Klaus Kinski seiner Aufgabe in Wirklichkeit gar nicht gewachsen war. Ich bin allerdings der Meinung, er wäre schon imstande gewesen, wenn nicht die eigene Überzeugung von seiner Aura so groß gewesen wäre. Kein Wunder, dass es auf Dauer nicht bei Hauptrollen blieb, wenn man von den verquasten Werner-Herzog-Filmen absieht, deren Sichtung kaum jemand ein zweites Mal durchhält.
Das ganze ist leider bitter für die anderen Darsteller. Christiane Krüger etwa liefert eine brillante Performance und Günther Stoll als cooler Ermittler wirkt trotz kleiner Rolle so gut wie Heinz Drache zu seinen besten Zeiten. Auch Annabella Incontrera, Margaret Lee und Sydney Chaplin sind völlig untadelig bei der Sache. Aber der Psychothriller ist nun einmal ein Genre, das mehr als alte Edgar-Wallace-Filme von einem Hauptdarsteller abhängig ist.
Wer nun ernsthaft einen Edgar-Wallace-Film mit Klaus Kinski erwartet hatte, dürfte von diesem allzu sparsam produzierten italienischen Psychothriller ganz schön frustriert werden. Mit Edgar Wallace hat das Ganze übrigens auch rein gar nichts zu tun, außer, dass dem deutschen Publikum genau das durch Filmtitel und Name so dreist wie bisher noch nie suggeriert werden sollte.
Doch wenn man weiß, worauf man sich einlässt, kann man viel gnädiger sein und sich auf einen stylischen Psychokrimi mit einer kräftigen Portion Hippie-Zeitgeist freuen.
Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.