Dass der Gigant unter den deutschen Filmautoren zu sechs Filmen der Edgar-Wallace-Serie die Stories geliefert hat, wird oft überschätzt. Nach seinen großen Erfolgen in der Vorkriegszeit und tiefen Verstrickungen mit den Nationalsozialisten hatte er sich glaubhaft von den Idealen seiner Vergangenheit distanziert und wurde der Drehbuchautor überhaupt für Filme, die sich mal sehr und mal weniger hart mit dem Dritten Reich beschäftigten. Außerdem war der hochkompetente Autor auch Spezialist für dramatische Stoffe am Rande des Kriminalfilms und darüber hinaus auch der richtige Mann, der große Literatur in ein Filmdrehbuch verwandeln konnte.
Es ist offensichtlich, dass Herbert Reinecker vom Theater kam und das Spiel zwischen den handelnden Personen in eine logisch strukturierte und immer dramaturgisch effektvolle Handlung gießen konnten. Kein Wunder, dass Schauspieler von ihm das beste Futter bekamen. Reineckers Talent konnte sich daher allerdings nur bedingt im Film entfalten. Das geeignetere Medium kam 1963: das Fernsehen! Mit ambitionierten Fernsehspielen, Folgen der frühen ZDF-Serien „Das Kriminalmuseum“ und „Die fünfte Kolonne“ und schließlich seinen Krimi-Dreiteilern ging es zielstrebig zu den Serien „Der Kommissar“ und später „Derrick“. All diese in ihrer Vielzahl nahezu unüberschaubaren Meisterwerke aus Reineckers Feder waren Theater in teilweise hochästhetischem Filmgewand. Aber eine entwickelte Filmsprache wie etwa bei Hitchcock, Ford, Coppola oder Lynch ist hier fehl am Platze. Reineckers dramatisches Spiel mit Personen braucht vergleichsweise asketische Mittel. Karge Bilder taten den Geschichten gut! Stilisierendes Schwarzweiß - wie in der Kommissar-Serie - machten jedes Drama größer. Die bekanntesten und besten Schauspieler tauchen nahezu alle in Höchstform auf. Und Herbert Reinecker schreibt unentwegt auf gleich hohen Level immer weiter bis zur Jahrtausendwende.
Und die Edgar-Wallace-Filme? Jerry Cotton? Karl May?
Sie sind nur eine letztendlich beiläufige Episode in Reineckers Schaffen. Klar, Reinecker liefert auch hier beste Drehbücher, aber interessanter für ihn war Mitte der 1960er Jahre bereits das Fernsehen.
Die Anfrage, nach dem bekanntesten Edgar-Wallace-Roman „Der Hexer“ das Drehbuch zu schreiben, mag für Reinecker noch eine schmeichelhafte Auszeichnung gewesen sein. Der Stoff kam ihm insofern sehr entgegen, dass „Der Hexer“ im Original schon ein Theaterstück war. Das Spiel mit Personen trieb Reinecker mithilfe von Regisseur Alfred Vohrer gekonnt auf die Spitze.
„Neues vom Hexer“ (1965) und „Hexer III“ - später realisiert als „Der Bucklige von Soho“ (1965) - verwässerten zunehmend die Reinecker-Vorlagen mit jeder Menge Zeitgeist-Unsinn, so dass Reinecker für seine weiteren drei Wallace-Filme lieber sein Pseudonym „Alex Berg“ verwendete und sich mehr an der guten Gage als am filmischen Ergebnis erfreute. Immerhin konnte er noch einige der gefundenen Ideen in seinen Fernsehkrimis recyceln. Man siehe sich beispielsweise „Neues vom Hexer“ und die Kommissar-Folge „Noch 10 Minuten zu leben“ an. Auch die naturgemäß Action-lastige Jerry-Cotton-Serie wird durch Reineckers Drehbücher auffällig handlungsreicher abseits der Schlägereien, Schießereien und Verfolgungsjagden durch norddeutsche Kiesgruben.
Für das Fernsehen zwischen Weltkrieg und Wiedervereinigung steht wohl kaum ein Name so sehr wie der des Drehbuchgiganten Herbert Reinecker. Für erfolgreiche Kinofilme in dieser Dekade steht kaum etwas so deutlich wie die deutschen Edgar-Wallace-Filme. Mir erscheint es wie ein unvermeidbarer Glücksfall, dass sich Herbert Reinecker und Edgar Wallace zumindest mit „Der Hexer“ einmal sehr fruchtbar begegnet sind.
Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.