Der legendäre Durbridge-Dreiteiler „Melissa“ war 1966 der überraschende Durchbruch für Hauptdarsteller Günther Stoll, der bis dahin völlig unbekannt war. Auch die Karrieren von Heinz Drache und Harald Leipnitz haben durch Durbridge-Krimis einen kräftigen Schub bekommen. Aber anders als diese spielte Günther Stoll die Rolle des Guy Foster als zu viel Alkohol trinkenden, sensiblen und melancholischen Helden, dem das Schicksal übel mitspielt.
Diese Melancholie haftete Günther Stoll zeitlebens an, auch in Rollen, die eigentlich keine Melancholie benötigten oder vertrugen. Von Durbridge ging es dann auch sofort zu Wallace und Günther Stoll wurde als neue Hauptdarsteller-Option im ersten Wallace-Farbfilm „Der Bucklige von Soho“ eingesetzt, aber diese Option hat sich nicht wirklich durchgesetzt. Zu schwach war die Rolle des Inspektor Hopkins vom Buch angelegt und Günther Stoll wurde damit fast verheizt, hätte er sich nicht noch ein kleines bisschen Charme bewahrt. Viele Stoll- Fans werden zwar widersprechen, aber das allgemeine Publikum wollte lieber Fuchsberger, Drache oder Leipnitz; Edgar Wallace Filme vertrugen sich nicht so gut mit diesem speziell brüchigen Charakter als Held, die Drehbücher gaben das gar nicht her. Die amerikanische „Schwarze Serie“ oder der französische Film Noir wären da für ihn viel besser geeignet gewesen.
Es folgten danach noch einige größere Rollen, die im Laufe seines Lebens immer kleiner wurden. Es lag nicht an Stoll, es lag an immer mäßiger werdende Rollen im immer trashiger werdenden Euro-Film. Auch in seinen letzten drei teilweise halb italienisch produzierten Wallace-Filmen waren die Rollen, die er spielen musste, meist recht beliebig, das heißt, ihm wenig auf den Leib geschrieben. Am passendsten war das wohl noch in „Das Geheimnis der grünen Stecknadel“.
Am Ende musste er im Derrick gar für die feste Second-Unit-Assistenz herhalten, noch unter Fritz Weppers Harry Klein, der immerhin mal ein paar Sätze mit Derrick reden durfte. Auf mich machte Günther Stoll einen immer trauriger und kranker wirkenden Eindruck, der fast ins gespenstische ging. Aber in Filmen, die das brauchten , war Stoll überragend und unverwechselbar, z.B. in „Die große Treibjagd“ als „schwarzer Mann“ , im Tatort „Zwei Leben“ als einsamer Killer oder - meines Erachtens am wirkungsvollsten - in der bitteren Kommissar-Folge „Der Geigenspieler“ als betrogener Ehemann, der sich in seiner unendlichen Melancholie sehenden Auges von seiner Frau erschießen lässt.
Privat soll er diesem Image gar nicht entsprochen haben. Aber nichtsdestotrotz, irgendwie ist es schon sehr traurig und die Melancholie scheint gerechtfertigt , dass er am Ende nach Karriereknick und Kleinrollen für Derrick im Alter von nur 52 Jahren an einem Herzinfarkt sterben musste.
Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.