Sich zurechtfinden zu können im Eurospyhorrortrashwasauchimmer in den Jahren zwischen 1965 und 1974 - das ist wohl einigen ganz wenigen Hardcorefans vorbehalten. Das Problem ist, dass zu viele Filme einfach zu schlecht sind und man deshalb während des Sehens Konzentration verliert oder überhaupt nicht bis zum Schluss durchhält, die Filme und Namen dadurch irgendwann verwechselt und als Folge dieses Schlamassels damit vielbeschäftigte Protagonistinnen kurz vorm wirklichen „Star sein“ stecken bleiben. So eine war Margaret Lee, eine attraktive englische Schauspielerin, die in ihrer Blütezeit Ende der 1960er Jahre in nur fünf Jahren circa 30 Filme drehte.
Erstaunlich und für sie doch recht bitter ist die meist zutreffende Formel: je schlechter der Film, desto größer ihre Rolle. Oder anders gesagt: gab es ein höheres Budget, gab es wahrscheinlich eine Leading Lady über ihr.
Margaret Lee war eine auf den ersten Blick Sex-Appeal ausstrahlende Superblondine im Stil von Marilyn Monroe oder Jayne Mansfield. Eine weitere Formel: Sie überlebte den Film mit um so geringerer Wahrscheinlichkeit, je kleiner ihre Rolle war. In der Zeit der „sexuellen Revolution“ ließ der Eurofilm - besonders Spionage-Trash im James-Bond-Gefolge und Horror - alle Hemmungen fallen, dem Kinopublikum viel Haut junger Schauspielerinnen anzubieten. Darstellungskunst wurde nur in einem sehr bescheidenen Maße gebraucht. Ob Margaret Lee eine gute Schauspielerin war, wage ich nach ihren Filmen kaum zu beurteilen. Ich glaube aber schon. Wissen tu ich hingegen, dass sie phänomenal posieren konnte. Wenn der dunkelhaarige Durchschnittsagent in ihr Hotelzimmer kam, bildeten ihre entblößten Beine höchst ansprechende geometrische Figuren, die mir Krämpfe bescheren würden, wenn ich solche Beinstellungen nur versuchen würde. Auch das problemlose Laufen in Schuhen mit hohen Absätzen oder das scheinbar zufällige Zucken der Lippen gehört zu den weit wichtigeren Fähigkeiten als eine dramatische Rolle auszufüllen. Ihre Rolle war immer ähnlich: eine begehrenswerte Frau nutzt ihre Vorzüge, um mehr oder weniger im Luxusmilieu Spaß zu haben. Gern mit einem Durchschnittsagenten, der so ähnlich wie George Nader aussehen sollte und möglichst von Gert Günther Hoffmann synchronisiert werden muss, um als Star wahrgenommen zu werden.
Margaret Lee wurde 1943 in England geboren, lernte italienisch an einer italienischen Schauspielschule und spielte erst einmal mit 19/20 Jahren in Italien in einigen Sandalenfilmen. Aber immerhin schon Hauptrollen! Nirgendwo anders in Europa sollte sie einem breiten Publikum so bekannt werden. Einige Auftritte mit Gesangsdarbietungen in Fernsehshows (später auch in Filmen) unterstrichen ihre Publicity als B-Movie-Star. Sie war nicht auf dem Star-Level von beispielsweise Marisa Mell, aber stand doch höher im Ranking als etwa Maria Rohm, die eine ähnliche Filmografie hat. Die italienische Nachkriegspsyche hatte allzu große Freude daran, englischsprachige Menschen wie selbstverständliche Gäste bei sich zu haben, was sich auch daran zeigt, dass selbst italienische Schauspieler anglizistische Pseudonyme benutzen und im Eurofilm eigentlich niemand mehr weiß, woher jemand kommt.
Es ist nicht verwunderlich, dass Margaret Lee auch in zwei späteren Edgar-Wallace-Filmen mitspielte. „Das Rätsel des silbernen Dreieck“ (1966) gab ihr die Gelegenheit, ihre typische Rolle auch in einem englischen Film zu spielen. In „Das Gesicht im Dunkel“ (1969) war sie immerhin einmal eine zwiespältigere Figur. „Die Pagode zum fünften Schrecken“ (1967) wollen auch einige Wallace-Fans unbedingt zur Serie rechnen; ein kunterbuntes internationales Ensemble zeichnet den Film aus. Natürlich ist auch Margaret Lee dabei. Häufige Drehpartner und -partnerinnen waren Klaus Kinski, Maria Rohm, Christopher Lee, Marisa Mell, Herbert Lom und sogar Curd Jürgens. Ihre besten Filme waren vielleicht „Der Bastard“ (1968) und „Die Banditen von Mailand“(1968). Einige Genre-Fans halten auch die Agentenfilmsatire „Unser Mann in Rio“ (1966) für einen viel zu unterschätzten Streifen.
Es war das als modern empfundene Lebensgefühl dieser Zeit, das wahllos viele supersexy Frauen in immer ähnlichen Filmrollen brauchte. Für viele Schauspielerinnen war es durchaus auch eine tolle Lebensphase, wie man aus zahlreichen Autobiographien erfahren kann. Sie genossen Geld, Glamour und JetSet-Parties in mediterranem Luxus. Die weiblichen Stars und Starlets beendeten oft die kurze Schauspielkarriere, weil sie sich in zufällig äußerst wohlhabende Männer verliebten, diese ehelichten und schließlich in Vollzeit damit beschäftigt waren, die häuslichen Partys an der Côte d’ Azur zu organisieren, wozu natürlich auch das eigene Styling zählte.
Doch bei Margaret Lee lief das Leben aus dem Ruder: Sie tötete in Schottland ihren Cousin, der sie nach ihren eigenen Aussagen vergewaltigt hatte. Das war 1975, als ihre Filmkarriere mit Anfang 30 stark ins Stocken kam. Nach ein paar Jahren Knast konnte sie nicht mehr an frühere Erfolge anknüpfen. Sie war nämlich an die 40 Jahre alt und die knallig bunte Zeit des stylischen Eurotrash war inzwischen längst vorbei.
Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.