Zu Kaisers Zeiten 1896 in Potsdam als Sohn einer preußischen Gutsbesitzerfamilie mit militärischer Tradition geboren, war Hubert von Meyerincks Neigung zum Theater bald genauso bestimmend für sein Leben wie seine auch in intoleranten Zeiten kaum verheimlichte Homosexualität. Der quirlige Schauspieler stand damit in größtmöglichem Widerspruch zu seiner Herkunft. Es verwundert nicht, dass er gerade deswegen zeitlebens den Drang hatte, diese Herkunft zu parodieren,zu karikieren und lächerlich zu machen. Schon in jungen Jahren war er „Der Hauptmann von Köpenick“ auf Berliner Theaterbühnen, spielte in grellen Wilhelminismus-Satiren von Carl Sternheim oder in expressionistischen Theaterstücken und Stummfilmen. Gerade im Expressionismus war ein Überagieren der Schauspieler üblich. Man kennt die theatralische Stummfilmmimik, die die fehlenden Worte ausdrucksstark ersetzen muss. Ähnlich wie bei Theo Lingen blieb den expressionistischen Schauspielern nach den 1920iger Jahren nur die Komödie, denn in ernsteren Stoffen war jetzt eine kühlere, realistischere Art des Schauspiels angesagt und das expressionistische Spielen erschien ziemlich bald unfreiwillig komisch. Hubert von Meyerinck neigte ohnehin auch stark der Komödie zu und spezialisierte sich so immer mehr auf die Parodie des engstirnigen preußischen Militärmenschen. Glatze sowie zuweilen Schnurrbart und Monokel unterstrichen die Karikatur; seine eher zarte Gestalt und unmilitärische Körpergröße ließen die Figuren noch lächerlicher wirken.
Energie war im Überfluss da; Meyerinck kommandierte bis zum Exzess. Seine Komik ist für die Momente bestimmt, wo wir bereits vor Lachen auf die Schenkel klopfen. Dann erst kommt er ins Spiel und setzt noch einen oben drauf.
Das Problem ist, dass wir selten auf dem Level sind und dass die vielen Filmkomödien der vergangenen Jahrzehnte uns heutzutage auch nicht mehr so sehr zu Lachattacken reizen.
Hubsi, so Meyerincks Spitzname, drehte in seinen letzten Jahren fünf Wallace-Filme mit Alfred Vohrer.
In „Neues vom Hexer“ (1965) bietet Meyerinck ein kleines effektvolles Kabinettstückchen als Richter. Die beste Rolle hatte er ein Jahr später in „Der Bucklige von Soho“. Seine Karikatur erweist sich als Finte für den Zuschauer. Unter der Maske des schrulligen Generals steckt der brutale Ex-Kommandant eines Straflagers, dem Menschenleben schon lange nichts mehr bedeuten. Wie auch in “Das Rätsel des silbernen Dreieck” ist der Effekt unschlagbar, wenn der geschmacklose Klamauk sich als Spielart eines pervers brutalen Geistes entpuppt. Wie auch in dem Dürrenmatt-Fernsehspiel “Frank V” mit Meyerinck in der Titelrolle neigt die Verquickung von Komödie mit dem Makabren wieder dem Expressionismus zu, der vielleicht die eigentliche Basis von seinem Spiel war. Zumindest ist die Szene, in der sich General Perkins die Pistole an die Schläfe setzt, ein kleiner Gruß aus dieser Stilistik.
In „Im Banne des Unheimlichen“ , „Der Gorilla von Soho“ und „Der Mann mit dem Glasauge“ löst Meyerinck 1968 Siegfried Schürenberg als Scotland-Yard-Chef ab. Doch seine überbordende Lust am Klamauk lässt den englischen Scotland-Yard-Chef als solches nicht mehr erkennen. “Sir Arthur” , so sein Name, nimmt die Fälle nicht mehr ernst, die Serie ist am Ende.
Man könnte natürlich nörgeln, in welch albernes Fahrwasser “Opas Kino” ganz allgemein um 1970 kam, aber immerhin, wenigstens erlaubte die Zeit Meyerinck die Lust am Spiel. Dreißig Jahre vorher war das anders. Und da war der unmaskierte Mensch Hubert von Meyerinck einer, der viel Rückgrat hatte, indem er für seine Neigungen und auch für andere Menschen mutig einstand.
Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.