In keinem anderen Jahrzehnt gab es so betont anziehende Frauen und so betont abstoßende Männer wie in der Filmwelt der 1960iger Jahre. Je näher die Filme dem Comic-Strip kamen, desto ausgeprägter war das. Es war üblich, dass zum Beispiel die Bösen in den James-Bond-Filmen körperliche Absonderlichkeiten wie Zangenhand, Augenklappe oder Kleinwüchsigkeit hatten. Abnorm war gleich abstoßend und damit auch gleich böse. Auch in den deutschen Edgar-Wallace-Filmen findet man eine Vielzahl abstoßender Gestalten, die die nötige Würze ins Geschehen brachten. Selten waren die unglückseligen Darsteller in der Besetzungliste unter den ersten sieben, Sekten überlebten sie einen Film.
Der äußerlich robust brachiale Reinhard Kolldehoff (1914-1995) spielte in deutschen Filmen nur kleinere Nebenrollen bis er im ersten Wallace-Film “Der Frosch mit der Maske” (1959) einen Barchef spielte und noch abstoßender in “Die seltsame Gräfin” (1961) den obskuren Diener Addams mit hervorspringender Unterlippe und verschwitzter Stirn spielte. Später sah man das Berliner Urgestein mit Vornamen René häufig in internationalen Filmen. Am bekanntesten ist viel ”Sie nannten ihn Mücke” mit Bud Spencer. Ich empfehle die hervorragende Derrick-Folge “Der Mann aus Portofino” (1976), in der Reinhard Kolldehoff seinem Image gemäß beeindruckt.
Stanislav Ledinek (1920-1969) stammt aus Slowenien und fiel immer durch seinen ausländisch wirkenden Akzent auf. Mit Glatze, Sonnenbrille und fettem Leib macht er sich in “Der grüne Bogenschütze” (1961) betrunken über die arme Karin Dor her. Glücklicherweise kommt dann aber zufällig der Bogenschütze vorbei. In weiteren deutschen Krimis ist Stanislav Ledinek immer ein fetter Ganove, mal eher komödiantisch wie in “Der Zinker” (1963), in drei Bryan-Edgar-Wallace-Filmen auch Opfer in manchmal panischer Angst ( Highlight in “Das Geheimnis der schwarzen Koffer”, 1962!!) oder besonders ekelhaft sowohl als Täter wie als Opfer in “Das Wirtshaus von Dartmoor” (1964). Ein perfekter Nebendarsteller in den deutschen Kriminalfilmen der Zeit, der allerdings schon 1969 im Alter von nur 49 Jahren starb.
Richard Haller (1925-1983) schien als “Der Bucklige von Soho” (1966) der Nachfolger des verstorbenen Ady Berber zu werden. Der grobschlächtige und betont verschwitzte Bucklige spricht nicht (außer einem bizarren Schreilaut am Ende des Films), er mordet nur wie am Fließband. Zurecht fürchten sich die Anstaltsmädchen vor diesem ausgesprochenen Widerling. Aber es geht auch noch abstoßender: ein Jahr später spielt Richard Haller den einäugigen Irrsinnigen in “Die blaue Hand” (1967), wieder verschwitzt und ständig zitternd wartet er in seiner Zelle nur darauf, wieder Ausgang zum Morden zu bekommen. Er muss sich leider eine schwarze Decke mit einem Schlitz für das eine Auge über den Kopf ziehen und die Morde mit einer blauen Messerstahlhand begehen. Dafür wird er aber kostenlos hin- und her chauffiert. Richard Haller trat nur ab und zu in Film und Fernsehen auf. In dem Jerry-Cotton-Film “Dynamit in grüner Seide” (1967) war er als Gangster unterwegs.
Arthur Binder (1919-1976) war in drei Wallace-Filmen ( “Zimmer 13”, 1964 ; “Die Gruft mit dem Rätselschloss”, 1964 und “Der Mann mit dem Glasauge”, 1968) an seiner gedrungenen Gestalt als Bilderbuchverbrecher ganz offensichtlich zu erkennen. Seine Bösartigkeit war immer deutlich größer als sein Verstand. In „Der Mönch mit der Peitsche“ (1967) musste Arthur Binder sich mit einer Statistenrolle begnügen, um dafür in „Der Hund von Blackwood Castle“ (1968) einen auffälligen Part als mörderischen Tierfreund Grimsby mit Augenklappe zu bekommen, der ungelenk durchs Moor tapst und Leichen sucht.
Günther Meisner (1926-1994) sah man häufiger auch in internationalen Filmproduktionen. Oft spielte er aufgrund seiner scharfkantigen Gesichtszüge und seines schlank-drahtigen Körperbaus eiskalte Killer. Leider nur einmal bei Edgar Wallace: in „Der Mönch mit der Peitsche“ ist er der abscheuliche Chauffeur des Drahtziehers, der für seine Mitmenschen so wenig Empathie hat wie er Kadavergehorsam für seinen Boss hat.
All diese abstoßenden Charaktere wurden in den Edgar-Wallace-Filmen ausnahmslos hervorragend dargestellt. Ady Berber ist sicher der berühmteste Unhold, aber auch die anderen wunderbar abscheulichen Spezialisten haben Erwähnung und großes Lob verdient.
Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.