Ein bizarrer Typ: asketisch kantige Gesichtszüge, schmale Lippen, stechende Augen, kurzer grauer Stoppelhaarschnitt, eine extrem schlanke und trotzdem athletische Figur sowie eine knarzende und dabei doch vorbildlich klare Stimme sind seine äußeren Markenzeichen.
In allen Krimi-Dreiteilern von Herbert Reinecker hatte Friedrich Joloff eine bemerkenswerte Wirkung. Er war Teil einer rätselhaften Welt, deren Kenntnis für uns Zuschauer bis zum Ende des dritten Teils tabu war, auf deren Offenbarung wir aber so neugierig hinfieberten. Friedrich Joloffs Charaktere waren intelligente Männer, die in mysteriöse Vorgänge verstrickt waren, sich selbst meist in undurchschaubaren Zwangssituationen befanden; Männer, die aber auch eine fast erschreckende Souveränität beziehungsweise Coolness an den Tag legen konnten. Selbst sein „Oberst Villa“ in „Raumpatrouille“ hatte solche Züge. Der Gegensatz zwischen Respekt einflößender Autorität und gleichzeitig geheimnisvoller Unergründlichkeit war es, der Friedrich Joloffs Gestalten so faszinierend wirken ließ.
Erstaunlicherweise gibt es zwischen Privatleben und Filmen gewisse Parallelen. Als Nichtarier gebrandmarkt, verließ Friedrich Joloff Anfang der 1930er Jahre Berlin und damit vorerst auch die Theaterbühnen. Der gebildete Kosmopolit lebte in Italien (“Babeck”), zeitweise in Tunesien (“11 Uhr 20”) und kannte auch andere nordafrikanische Länder wie Ägypten(“Der Tod läuft hinterher”). Ich kenne keinen Film, in dem Joloff irgendeine Beziehung zu einer Frau gehabt hätte, oder doch? Um 1960 spielte er hin und wieder homosexuelle Außenseiter und in den Reinecker-Dreiteilern wurden ihm stets junge Männer als “Mitarbeiter” an die Seite gestellt.
Wie dem auch sei, in den 1960er Jahren war der markante Darsteller in zahllosen Fernsehspielen mit von der Partie, selbstverständlich immer bestens besetzt in Kriminalstücken. In “Lydia muss sterben”(1964) und “Hotel Royal”(1969) gibt er den Ermittler so überzeugend wie in zwei Durbridge-Mehrteilern den hochgradig Verdächtigen. Am Schluss seiner Laufbahn war Friedrich Joloff auch in jeweils einer “Kommissar”- und einer “Derrick”-Folge dabei.
Man fragt sich, warum dieser so auffällig seltsam wirkende Schauspieler nicht dauernd in Edgar-Wallace-Filmen mitspielte. Immerhin stand seine Besetzung wohl ab und zu zur Debatte. (z.B. als Dr. Amersham in „Das indische Tuch“).
Doch halt! Ein einziges Mal ist er dabei: in “Die Tür mit den sieben Schlössern” (1962) spielt Friedrich Joloff das taubstumme Faktotum “Bird” und entwirft auch ohne Sprechtext eine faszinierende Figur, die in einem großen Kontrast zu seinen sonstigen Rollen steht: misstrauisch, opportun, rückgratlos, tückisch, erbärmlich. Meisterhaft dargestellt, eine zwar kleine, aber doch innerhalb der gesamten Serie auffällige Rolle, die ihresgleichen sucht. Kurios, dass er bei Wallace stumm bleibt, während er zeitgleich einer der besten deutschen Synchronsprecher war. Was wäre zum Beispiel James Mason ohne Friedrich Joloff?
Eine Zugabe bekommen die Wallace-Fans noch mit der Victor-Gunn-Verfilmung “Das Wirtshaus von Dartmoor” (1964). Hier ist er als hinterwäldlerischer Wirtshausbesitzer dann doch einmal verheiratet. Gut läuft die Ehe allerdings nicht, und so lässt er seine Frau grausam ermorden.
Der Name Friedrich Joloff ist leider nur noch sehr wenigen Menschen bekannt. Ihm steht der Verdienst zu, Film und Fernsehen im deutschsprachigen Bereich um eine völlig singuläre Figur bereichert zu haben, zu der es nichts vergleichbares gibt. Bedauerlicherweise habe ich erst nach seinem in der Öffentlichkeit nicht registrierten Tod erfahren, dass er nur einige Dörfer von mir entfernt in einem Altenheim gelebt hat. Zu gerne hätte ich ein persönliches Gespräch mit ihm über seine Filme und sein Leben geführt.
Ganz sicher hätte er sehr viel Interessantes zu erzählen gehabt.
Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.