Nicht viele wissen heutzutage, dass Karin Hübner ein hochgelobter Star der 1960er Jahre war. Die Schauspielerin spielte in dem ersten erfolgreich laufenden Musical in Deutschland „My fair Lady“ die proletarische Blumenverkäuferin Eliza Doolittle in mehr als 800 Vorstellungen am Kurfürstendamm in Berlin und in anderen Städten. Das übertraf selbst die kühnsten Erwartungen. Ohne eine dafür spezifische Gesangsausbildung gehabt zu haben, wie ihre amerikanischen Kolleginnen, sollte sie so etwas wie das deutsche Pendant zu Julie Andrews werden. Ein Ausnahmetalent! Die Albumauskoppelung ihrer “My fair Lady“- Fassung ist sage und schreibe die in Deutschland bis heute meistverkaufte LP/CD. Ein unfassbarer Erfolg! Allerdings auch der letzte wirkliche Erfolg für Karin Hübner.
Eine deutsche Julie Andrews wurde sie nicht, sie war viel zu sehr deutsche Theaterschauspielerin, spielte auch gerne Brecht-Stücke und wirkte besonders als ambivalente und vielschichtige Frauengestalt überzeugend.
1969 ist das wichtige Jahr für die Krimifans, denn Karin Hübner hatte große und recht interessante Rollen in drei Krimis. „Hotel Royal“ war ein starbesetzter Fernsehkrimi unter der Regie des guten Wolfgang Becker, mit dem sie sich endgültig für das Krimifach empfahl. Dann bot ihr Alfred Vohrers letzter Edgar-Wallace-Film „Der Mann mit den Glasauge“ eine hervorragende Schlüsselrolle als zerrissene und vom Leben gebeutelte Frau. Hier ahnt man schon, dass die Darstellerin für problematischere Charaktere als das beliebte Blumenmädchen prädestiniert war. Und der dritte Krimi „Sieben Tage Frist“ von Alfred Vohrer brachte ihr schließlich die beste Krimirolle als verbitterte Hausmeistergattin zwischen unbefriedigter Lust, Frust, Zynismus und Schmerz. Leider wurde ihre Leistung kaum registriert, zu sehr lag der Focus der Kritiker auf dem „Neuen deutschen Film“. Sie wäre als Charakterdarstellerin für Vohrers Sinmel-Filme sehr geeignet gewesen, aber insbesondere Judy Winter und Doris Kunstmann sollten da statt Karin Hübner in Zukunft brillieren. Auch in der „Kommissar“-Serie hätte es viele passende Rollen für die herbe Schauspielerin mit der harten Stimme gegeben, doch sie tauchte dort nie auf. Nur in dem Durbridge-Dreiteiler „Das Messer“ (1971) und in einem Tatort sah man sie noch. Das wars.
Für ihre Theaterrollen gabs immer wieder schlechte Kritiken, denn sie war nun einmal abgestempelt als die Blumenverkäuferin aus dem Musical.
Ihre drei Ehen mit Regisseur Peter Beauvais, Schauspieler Günther Pfitzmann und dem Schauspieler und späteren Derrick-Komponisten Frank Duval scheiterten. Duval hatte als Alternative zu Rex Gildo ebenfalls in „My fair Lady“ auf der Theaterbühne gestanden. „Duval“ heißt Karin Hübner übrigens wohl nicht zufällig auch in „Der Mann mit den Glasauge“. Aber weiter mit dem Niedergang der bedauernswerten Schauspielerin. Es gab ab Mitte der 1970er Jahre weniger Rollen und Karin Hübner musste auch die privaten Enttäuschungen ertragen. Immer häufiger kam Alkohol ins Spiel. 1982 war sie nicht so weit von ihren Rollen aus dem Jahr 1969 entfernt. Betrunken und voller Zynismus wollte sie Schluss machen und zündete ihre Wohnung im fünften Stockwerk eines Münchener Hauses an. Der Brand konnte gelöscht und sie glücklicherweise gerettet werden. Doch der Schlamassel brachte ihr wegen vorsätzlicher Brandstiftung ein halbes Jahr Freiheitsstrafe ein. Die Ruhe im Knast nutzte sie, um über neue Pläne für die Zukunft nachzudenken und das bescherte ihr tatsächlich endlich eine neue Idee: nach dem Intermezzo im Gefängnis versuchte sie sich als Regisseurin - aber es ging weiter bergab: Sie erntete als Reaktion nur Verrisse und somit scheiterte sie nochmals. Schließlich gab sie endgültig auf und erklärte 1987 ihren Rückzug von der Bühne.
2006 starb sie verarmt in einem Münchener Altenheim.
Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.