Weit aufgerissene Augen, naive Verzweiflung, panische Angstschreie - so wollte man attraktive junge Frauen im schwarzweißen Kino damals sehen. Natürlich geschah vor dem Zeitalter des Giallos keiner etwas, denn Joachim Fuchsberger war nicht weit weg und rettete sie alle.
Natürlich erledigten alle „Damsels in distresses“ ihre Aufgabe mit professioneller Hingabe: die brave und noch blutjunge Eva Anthes in „Der Frosch mit der Maske“ (1959) , die attraktive Sabina Sesselmann, die schicke Corny Collins, die niedliche Grit Böttcher, die zarte Judith Dornys oder das Bond-Girl Catherina von Schell. So gut sie alle waren, so austauschbar waren sie leider doch auch, denn eigentlich spielten sie die gleiche Rolle und es ist letztendlich eine völlig subjektive Sache, wen man lieber sieht und wen man lieber retten möchte.
Allerdings gibt es eine Ausnahme: Brigitte Grothum, die Königin dieses Fachs!
Eine Schauspielerin ihres Ranges kann selbstverständlich auch ganz anderes spielen (zB “Der rote Rausch“, 1962). Eigentlich ist das Theater viel mehr als der Film ihr Zuhause - nicht nur als Schauspielerin, inzwischen auch als Regisseurin. Ihre darstellerische Qualität fällt in den Edgar-Wallace-Filmen auch im Vergleich unter den Damsels in distress deutlich auf.
Ihr Edgar-Wallace-Debut war „Die seltsame Gräfin“ (1961), in dem sie eigentlich die Hauptrolle spielte, denn die Handlung des Films beginnt aus ihrer Sicht, nicht aus der Sicht des Inspektors wie sonst meistens üblich. Brigitte Grothum hat hier viel zu spielen und bringt in dieses Rollenfach Variationen und Nuancen, die man in dieser Güte nicht oft sieht, auch nicht über die Wallace-Filme hinaus. Besonders ihre Szenen mit Klaus Kinski haben Kultcharakter. Ebenso kann sie uns ein Jahr später in dem starken „Das Gasthaus an der Themse“ und in dem schwächeren „Der Fluch der gelben Schlange“ begeistern. Und immer ist Joachim Fuchsberger ihr Retter und zur Belohnung am Ende des Films natürlich auch ihr Geliebter. Die Frau ist schwach, der Mann ist stark und die Welt scheint in Ordnung zu sein.
Haben Karin Dor, Karin Baal, Renate Ewert, Marisa Mell und Barbara Rütting noch andere Aspekte in ihren Wallace-Rollen, so ist Brigitte Grothum in den Wallace-Filmen die klassische „Damsel in distress“ und bringt es nicht nur zur „Prinzessin“, wie Inspektor Wade sie nennt, sondern zweifellos zur Königin dieses Fachs. Klar, heute ist sowas nicht mehr ganz korrekt, aber wir wissen ja Bescheid. Gönnen wir uns das einfach mal!
Empfehlenswerte Fernsehfilme mit Brigitte Grothun sind der Durbridge-Dreiteiler „Ein Mann namens Harry Brent“ (1968) und die grandiose Ausnahme-Tatort-Folge „Ein gewöhnlicher Mord“ (1973). Später war sie über 15 Jahre dem Fernseh-Publikum durch die Vorabendserie „Drei Damen von Grill“ präsent.
Brigitte Grothum lebt in Berlin. Ich hoffe, ihr geht’s gut und sie bleibt noch lange gesund. Und noch einmal ein dickes Lob für ihre Darstellungen!
Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.