Sie war fast 1,80 groß, intelligent, selbstbewusst, arrogant, ästhetisch, distanziert und wirkte nicht nur in ihren Filmen einschüchternd: Elisabeth Flickenschildt, eine der größten und rätselhaftesten Schauspielerinnen des 20. Jahrhunderts. Zeitzeugen haben immer wieder berichtet, dass sie auch als Privatperson in der Öffentlichkeit eine Selbstsicherheit und Erhabenheit ausstrahlte, die bei ihren Mitmenschen fast so etwas wie ein Frösteln auslösen konnte.
Die Hamburger Kapitänstochter machte eine Lehre in der Modebranche (und entwarf noch im Alter ihre eigenen mondänen Kostüme) , trat bereits 1932 in die NSDAP ein ( Hitler setzte sie als Ausnahmekünstlerin am Ende des Krieges auf die sogenannte Gottbegnadetenliste ) und geriet in den Theaterolymp, nämlich in den nahen Kreis um die absolute Regie-Legende Gustaf Gründgens ( wie zB auch Marianne Hoppe).
Als große, mental starke und dadurch auch unheimliche Frau in reiferen Jahren war sie wie geschaffen für große und pathetische Rollen in Edgar-Wallace-Filmen.
In all ihren Filmrollen der 60iger Jahre auch über Wallace hinaus warf die Diva immer einen verächtlichen Blick auf die Gegenwart: in “Die Bande des Schreckens” (1960) zum Beispiel auf den jungen Inspektor Fuchsberger und dessen Leidenschaft für Karin Dor, als verlebte Wirtin in “Das Gasthaus an der Themse” ( 1962) auf Fuchsberger Leidenschaft für Brigitte Grothum und als dünkelhafte Aristokratin in “Das indische Tuch” verachtet sie eigentlich alles außer ihren Sohn. Besonders ihre Darstellung der Lady Lebanon gehört zu den nachhaltig beeindruckenden darstellerischen Leistungen der Serie: Sie lässt sich lieber erwürgen als vom hohen Ross zu steigen und den bürgerlichen Rechtsanwalt Tanner um Hilfe zu rufen. Selbst in dem etwas schwächeren Bryan-Edgar-Wallace-Film “Das Phantom von Soho” dringt ihre Gegenwartsverachtung noch deutlich durch alle Poren. Diese Rollen - wenn vielleicht auch nicht die ganz hohe Theaterkunst - haben sie mehr alles andere populär gemacht und ihren Namen untrennbar mit den Wallace-Filmen verbunden, was ihr wahrscheinlich gar nicht recht war.
Auch im Filmteam hatte die bis dato am besten bezahlte Person unter allen Wallace-Schauspielern noch ihre Aura der Unerreichbarkeit. In weiteren Filmen der Zeit spielte sie immer auf höchstem Level ähnliche einschüchternde Frauengestalten, vor denen sich nicht nur die anderen Filmfiguren gefürchtet haben. Weitere Krimis: “Diamanten-Billard” , “Der Tod läuft hinterher” (Reinecker-Dreiteiler) , “Der Kommissar: Der Geigenspieler”.
Es gibt ein vielsagendes Gespräch zwischen Elisabeth Flickenschildt und Friedrich Luft (https://www.youtube.com/watch?v=fDqD-_pLBMQ&t=168). Darin erzählt sie, dass sie keinen Schauspielunterricht gibt, weil die jungen Leute ihr alle zu unbegabt und schlecht sind. Sie bringt diese Arroganz mit einem entspannten Lächeln. Wieder Verachtung für das hier und jetzt. Und trotzdem konnte sie wohl auch ab und zu sehr freundlich sein, auch das hörte man von Zeitzeugen.
Man fragt sich, woher die Flickenschildt solch eine stählerne Kraft nimmt. Ich glaube, es ist das unbeirrbare Wissen um die eigene Kompetenz.
Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.