Miss Krimi wird sie seit den 60iger Jahren genannt, denn keine andere Schauspielerin dieser Jahre war so häufig als Hauptdarstellerin in Kriminalfilmen besetzt wie Karin Dor (1938-2016).
Dabei hatte sie schon als Teenagerin in vielen inzwischen fast vergessenen Heimatfilmen und leichten Liebeskomödien begehrte Töchter gespielt. Unter vielen Regisseuren, mit denen sie zusammengearbeitet hatte, stach Harald Reinl heraus. Im Alter von sechzehn Jahren heiratete sie den dreißig Jahre älteren Mann, mit dem sie nach Heimatfilmen acht Krimis und vier Western drehte. Ihr erster Krimi war zugleich ihr erster Wallace-Film unter Reinls Regie: „Die Bande des Schreckens“ (1960).
Häufig wird gesagt, dass Karin Dor immer die naive junge Frau geben musste, deren Filmexistenz einzig darin berechtigt sei, dass der Held ja irgendwen retten und im Schlussbild im Arm halten müsse. Das mag für „Die Bande des Schreckens“ so gelten, aber in den folgenden Wallace-Filmen ist das anders. Gleich in „Der grüne Bogenschütze“ (1960/1) - ausnahmsweise unter der Regie von Jürgen Roland - ist sie die treibende Kraft auf der Suche nach ihrer Mutter. Karin Dor als Valerie Howett agiert überraschend selbstbewusst, kann sich sowohl gegen ihren Stiefvater als auch gegen ihren bitterbösen Onkel durchsetzen und hat sogar den erstaunlichen Mut, sich nachts allein zum gefährlichen Schloß ihres Feindes zu schleichen oder in Spelunken brutale Widerlinge zur Rede zu stellen. Dieses doch schon erstaunliche emanzipierte Image wird durch Outfits ergänzt, die man um 1960 keinesfalls an braven Mädchen sah.
Wieder mit Reinl entsteht innerhalb eines Jahres sogar schon ihr dritter Wallace-Film, in dem nicht der männliche Hauptdarsteller Hellmut Lange sie, sondern eher sie ihn rettet. Und in Wallace-Film Nr. 4 „Zimmer 13“ muss sie nicht nur nicht gerettet werden, sie ist gar selbst die Mörderin! Ihr letzter Wallace-Film „Der unheimliche Mönch“ ist dann leider auch schon ihr letzter klassischer Krimi. Zumindest in den Wallace-Filmen hat sie es mit Bravour geschafft, fünf wirklich verschiedene Frauen auf die Leinwand zu bringen, die eben nicht austauschbare Staffage für den Helden wären. Gerade das Selbstbewusstsein, das sie durch kontrollierte Blicke, artikulierte ruhige Sprache und einen Anflug von Ironie gegenüber ihren Filmpartner ausstrahlte, ließ sie elegant und exklusiv erscheinen. Liegt sie also ihren Filmpartner überhaupt zum Happy End in den Armen? Ja klar, und der Filmpartner wird sogar belohnt, in dem er die hochklassigste Geliebte bekommt. Das machte die edle Karin Dor aus, sie war nicht freche proletarische Rebellin wie Karin Baal, nicht gefährlich erotisch wie Ellen Schwiers oder Renate Ewert, nicht die liebenswert Naive wie Elke Sommer und auch nicht Filmkünstlerin wie Romy Schneider, sie war einfach eine respektable Frau mit natürlich aristokratischer Note, zurecht die bekannteste und bei vielen auch beliebteste Hauptdarstellerin der Wallace-Filme.
In den wenigen Jahren zwischen 1960 und 1965 drehte sie außer fünf Wallace-Filmen noch sechs weitere Krimis dieser Art, von denen einige vielleicht nicht schlechter, aber auf keinen Fall wesentlich besser als ihre Wallace-Filme sind. In zehn Filmen ist Joachim Fuchsberger ihr Filmpartner, kein Wunder also, dass man die beiden als Traumpaar des deutschen Kriminalfilms wahrnimmt. Aber auch Lex Barker war in sechs Filme Leinwandpartner.
Miss Krimi dreht in den kommenden Jahren die dem Zeitgeschmack entsprechenden Agentenfilme, manche davon auf hohem Niveau, künstlerisch oder budgetmässig. Wenn nicht, dann hob zumindest ihre Mitwirkung das Niveau etwas an.
Ihr Image einer eigenständigen Frau wird Beispiel in folgenden drei Filmen noch einmal unterstrichen: “James Bond 007: Man lebt nur zweimal” (1967) ; “Topaz” (1969, Regie: Alfred Hitchcock) und “Die Antwort kennt nur der Wind” (1974, Regie: Alfred Vohrer).
Übrigens: Weil sie mitspielt und obwohl sie nicht gemeint ist, denkt man unweigerlich, Miss Krimi sei die Mimi in “Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett” (1962). Zumindest mir geht es so.
Karin Dor ist ein deutscher Star auch im internationalen Film. Und neben all ihren Vorzügen muss man betonen, dass sie außerdem auch eine gute Schauspielerin war.
Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.