Ärzte, Adlige, Geistliche edelster Gesinnung waren die Spezialität von Dieter Borsche Anfang der 1950iger Jahre. Etwas zu steif und zu pastoral, aber genau das brauchte das deutsche Kinopublikum nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs und nicht wenig junge Mädchen verliebten sich in den würdevoll anständigen Mann. Dieter Borsche wusste sehr genau, dass dieses Image nicht ewig bestehen könnte. Als Ende der 50iger Jahre der Rock’n’Roll Roll kam und ganz andere Helden gefragt waren, machtet Borsche einen geschickten Schachzug: er spielte die gleichen Figuren, nämlich besorgte Ärzte, eckige Adlige, frömmelnde Geistliche - nur dass dieses jetzt die reaktionäre Maskerade für eine böse oder sogar irrsinnige ältere Generation war, die gerade in den 1960iger Jahren dem jungen Publikum so suspekt war. Dieses Doppelbödige steckt tatsächlich auch in vielen der Originalromanfiguren schon zu Lebzeiten von Edgar Wallace. Reverend Dearborn’s Maske ist in “Die toten Augen von London” (1961) genauso maßlos frömmelnd, wie er ohne Maske maßlos böse ist. Meiner Meinung nach gibt Borsche hier den bösesten Charakter der ganzen Serie. Wie auch immer man das persönlich sieht, dieser Film bedeutete einen großen Wechsel in Borsches Filmkarriere. In “Der schwarze Abt” (1963) ist Lord Chelford eine der faszinierendsten Figuren der Serie: Dieter Borsche spielt glänzend den Inbegriff eines Wallace-Charakter, nämlich einen irrsinniger Adligen - nach außen distanziert aristokratisch, in Wirklichkeit von neurotischer Panik beherrscht , ängstlich um Status und Besitz bangend, krank, verwirrt, misstrauisch und tückisch. Wem die Performance in diesen beiden Wallace-Filmen nicht genug war, für den gibt es noch eine Zugabe. Borsche gibt einen schauderhaften Arzt in dem Bryan-Edgar-Wallace-Film “Der Henker von London” (1963), der mit der steifen Freundlichkeit eines in die Jahre gekommenen Kavaliers junge Frauen zu sich nach Hause einlädt, um ihnen dann für medizinische Privatexperimente den Kopf abzutrennen. Eine Ausnahme bildet der Bryan-Edgar-Wallace-Film “Das Phantom von Soho” (1963). Dieter Borsche zeigt hier, dass er auch überzeugend einen Inspektor spielen kann, wenn er auch natürlich in Sachen jugendlicher Charme weniger punkten kann und dadurch leider fehlbesetzt erscheint, weil man sich doch jemanden wie Blacky Fuchsberger wünscht. Unbedingt muss auch sein Part als Mörder in dem Durbridge-Sechsteiler “Das Halstuch” (1962) gewürdigt werden. Auch bei Durbridge war er meines Erachtens der beste Täter aller Mehrteiler, was seiner charismatischen Darstellung zuzuschreiben ist. Noch böser geht’s aber immer noch: In dem Fernsehspiel „Gaslicht“ (1960) spielt er einen schon fast unerträglich miesen Übelmann, der seine Ehefrau Margot Trooger in Wahnsinn und Tod treiben will. Das “Eckige” oder zumindest “Statische” an ihm war nicht nur das forciert Förmliche seiner Rollen, sondern leider auch gesundheitlich bedingt. Hatte er seine Karriere als Balletttänzer gestartet, sorgte Muskelschwund immer mehr in seinem Leben für Bewegungseinschränkungen bis zum Stadium mit Rollstuhlbedarf in den 70iger Jahren. Dieter Borsche kann man zweifellos als einen der fähigsten Schauspieler seiner Zeit bezeichnen. Vor allem sein Wirken im Theater und in Fernsehspielen beweist das. Auch wenn die Edgar-Wallace-Filme nur ein kleiner Teil seiner Arbeit waren, ist er aus ihnen nicht wegzudenken. Sein Name fällt immer ziemlich schnell als einer der auffälligsten Darsteller der Serie. Dieter Borsche gehört zu jenen Schauspielern, die die Wallace-Streifen zu Kult-Filmen gemacht haben.
Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.