Eine neue Generation Filmkomponisten musste her für ein neues Genre: die Edgar-Wallace-Filme! So viel Knalleffekt und Selbstironie kannte man bislang im braven deutschen Kino der 50iger Jahre nicht! Die traditionellen Filmkomponisten, die zwar verdient und professionell Orchesterpartituren schrieben, trafen allerdings den modernen Ton nicht. Seit alten Humphrey-Bogart-Klassikern wie insbesondere „Die Spur des Falken“ bevorzugte man in Hollywood für Kriminalfilme einen zeitgemäßeren Big-Band-Sound, der sowohl erotischer und sündiger als auch reißerischer und gefährlicher klingen konnte, dabei sogar oft leichter ins Ohr ging. Kein Wunder, dass man in Deutschland einen ähnlichen Effekt für den Film „Die Halbstarken“ (1956) haben wollte und den noch sehr jungen Jazz-Gitarristen und Arrangeur Martin Böttcher engagierte. Nach Krimis wie „Das schwarze Schaf“ und „Mörderspiel“ holte Horst Wendlandt ihn erstmals für „Der Fälscher von London“ als Filmkomponisten für einen Edgar-Wallace-Film und Martin Böttcher lieferte einen echten Krimi-Musik-Klassiker ab. Hier hört man ( für alle, die es genauer wissen möchten) alle typischen Merkmale des Martin-Böttcher-Sound: 1. damals moderne Halleffekte, die neuerdings nach Instrumenten getrennt werden konnten 2. Posaunen und Bariton-Saxophon übernehmen die Moll-Bluestonleiter-Melodie 3. Alt-Saxophon, Frauenchor und E-Gitarre übernehmen zweite Melodie 4. Trompeten kommen später als Steigerung dazu 5. Rhythmus-Gruppe spielt Medium-Swing 6. schnelle verhallte Bongo-Sequenzen wenn es aufregend wird usw.
Auch wenn einige Krimimusiken von Martin Böttcher sehr ähnlich klingen (z.B. Der Fälscher von London, Das schwarze Schaf, Das Kriminalmuseum) ist dieser Stil für die Krimis der 60iger Jahre sehr prägend geworden und löste die alte Orchester-Filmmusik ab. Zu wirkungsvoll ist nun einmal das neue Konzept. Kultig sind vor allem der selbstironische Soundtrack zu „Das Gasthaus an der Themse“ mit dem bekannten Lied „In der Nacht“ oder der knallige Soundtrack zu „Die blaue Hand“.
Dass seine genialen Karl-May-Filmmusiken schließlich das erfolgreichste wurden, was Martin Böttcher gemacht hat, ist ja hinreichend bekannt.
Ab den späten 60iger Jahren werden immer mehr eine betont ruhig fließende Musik mit melancholischen Jazzakkorden, die die Streichinstrumente halten, sein Markenzeichen, wie z.B. in „Spion unter der Haube“ , „Der Illegale“ oder „Es muss nicht immer Kaviar sein“ und teilweise auch „Sonderdezernat K1“, was eine sehr eigenartig gebrochene Wirkung bei großer Wiedererkennbarkeit hatte.
Selbst in vereinzelten Derrick-Folgen der 80iger Jahre blitzen schemenhafte Erinnerungen an den Fälscher von London oder den Schatz im Silbersee durch und nach nur wenigen Takten kann man sich sicher sein: Martin Böttcher hat wieder exzellente Musik geliefert.
Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.