Unter den vielen Edgar-Wallace-Filmen dieser Jahre wirkt „Die seltsame Gräfin“ (1961) wie ein Gruß aus alten UFA-Zeiten. Große Charakterdarsteller aus vergangenen Tagen stehen für lange zurückliegende Verbrechen mit Auswirkung auf die gegenwärtige Situation. Die jungen Darsteller stehen entweder für Unterdrückung durch die ältere Generation (Arent) , Orientierungslosigkeit und Verirrung (Kinski) oder Hoffnung auf eine neue Zukunft (Grothum, Fuchsberger). Zu den UFA-Stars vor der Linse gesellen auch dahinter UFA-Größen wie Kameramann Richard Angst und ein großer Regisseur: Josef von Baky.
Von Baky wurde in Oberungarn - heute Slowakei - im multikulturellen Österreich-Ungarn geboren und kam über Budapest bald nach Berlin, wo er im Filmgeschäft Fuß fasste. Handwerkliches Können und erste kommerzielle Erfolge brachten ihm den Auftrag seines Lebens ein: mitten während des 2. Weltkrieges durfte er den Jubiläumsfilm zum 25jährigem Bestehen der UFA inszenieren: einen großen - man würde heute sagen - “Fantasy-Film nach dem klassischen deutschen Stoff für genau dieses Genre, nämlich “Münchhausen”, die fantastischen Geschichten des “Lügenbarons”. Der hochbudgetierte Film war einer der ersten in Farbe und verschwenderisch prominent besetzt. Hans Albers spielte die Titelrolle und viele andere Stars von Brigitten Horney bis Ilse Werner traten in den Episoden dieser großen UFA-Show auf. Dazu komponierte Georg Haentzschel eine Filmmusik von erstaunlicher Qualität, an Erfindungsgabe locker mit John Williams vergleichbar. Das witzige und geistvolle Drehbuch durfte der eigentlich “verbotene” Erich Kästner unter Pseudonym schreiben. Fernab vom Nazi-Alltag wurde hier eine Fantasiewelt kreiert, die ein Fest des deutschen Films werden sollte.
Damit machte sich Josef von Baky bei Publikum und Filmkritik einen nachhaltig guten Namen, bei dem man unwillkürlich immer wieder an diese Sternstunde des Films denken musste.
Auch in der Folge drehte von Baky überdurchschnittliche Filme, stellvertretend genannt “Via Mala” ( 1945), wieder mit grandioser Musik von Georg Haentzschel; “Das doppelte Lottchen” (1950), erneute Zusammenarbeit mit Erich Kästner; “Robinson soll nicht sterben” (1957) oder den Halbstarken-Film “Die Frühreifen” (1957).
Von Baky drehte mit einer Vielzahl damaliger Topstars: Hans Albers, Curd Jürgens, Maria Schell, Ruth Leuwerik, O.W. Fischer, Romy Schneider, Hardy Krüger, Horst Buchholz, Gert Fröbe, Hansjörg Felmy und viele andere.
“Die seltsame Gräfin” (1961) sollte sein letzter Film werden. Man spürt immer die Aura der UFA , zum Beispiel in einer guten Portion Expressionismus, der sich besonders in den Bildern (unter anderem Irrenhauskeller) und in der Darstellung (vor allem Rudolf Fernau, Fritz Rasp und Lil Dagover) bemerkbar machte.
Josef von Baky wäre sicherlich auch weiterhin ein guter Regisseur für klassische Wallace-Interpretationen gewesen, denn sein Stil der Darstellung und Bilder ist ziemlich kompatibel für die Phantasien des englischen Kriminalschriftsteller. Leider musste von Baky sich schon mit diesem Wallace-Film aus gesundheitlichen Gründen von der Arbeit zurückziehen. Mit Ottokar Runze und Jürgen Roland sollten ihn zwei Regisseure vertreten, denen die Zukunft gehörte.
Bei keinem anderen Wallace-Film kam soviel Qualität alter Schule zusammen. Die miesepetrige Filmkritik wollte natürlich nichts gutes an dem Werk bemerken. Doch eine kontinuierliche Filmtradition, die es in keinem Land so schwer hatte wie in Deutschland - hier gibt es sie! Dafür steht besonders Josef von Baky. Und das darf man durchaus einmal honorieren. Der Film wurde immerhin vom Bundesinnenministerium prämiert.
Josef von Baky starb leider schon 1966 im Alter von 64 Jahren.