Jerry Cotton – Fall Nr. 5

Der Mörderclub von Brooklyn (1967)

Männer werden bunt, Frauen bleiben farblos

Endlich! Nach flauen Schwarzweiß-Vorgängern mäßiger Regisseure tut sich was in der Jerry-Cotton-Reihe. Wir erleben die „pre-title-sequence“ noch farblos, aber mit einem Schuss des FBI-Agenten wird alles bunt. Und ich frage mich, warum das nicht eher geschah. Expressionistisches Hell-Dunkel wie bei Dr. Mabuse oder stilisierte Kälte wie in den Gangsterfilmen von Jean-Pierre Melville benötigen die unterhaltsamen Schlägereien, Schießereien und Barbesuche nun wirklich nicht. Außerdem kümmerte sich ein besserer Mann als bisher um die Inszenierung. Werner Jacobs, eigentlich spezialisiert auf Schlagerfilme und Schülerkomödien, lieferte stets die saubersten Arbeiten des jeweiligen Genres ab. In Erinnerung ist vielen noch „Die Heiden von Kummerow“, einer seiner besten Filme, der wenige Monate später entstand.  „Der Mörderclub von Brooklyn“ sollte sein einziger Kriminalfilm bleiben, aber wohl nur deswegen, weil er durchgehend schon mit anderen Filmen schwer beschäftigt war. Dass es eine richtige Story gibt, war durch Star-Autor Herbert Reinecker garantiert. Die Geschichte punktet auch mit „Who-done-it“-Elementen, was die Aufmerksamkeit des Publikums wacher hält, als wenn man ständig nur zusehen muss, wie unter Zeitdruck Bomben entschärft werden müssen.  Last but not least: Der Score von Peter Thomas entspräche in Schulnoten erneut einer 1+ mit Sternchen.

Das Interessanteste an dem Film war für mich, eine ganze Reihe bekannter (Fernseh-) Schauspieler in völlig ungewöhnlichen Rollen zu erleben. Der Berliner Erzkomödiant Wolfgang Spier als schmieriger Gangsteranwalt, Heinz Reincke als desillusionierter Kleinkrimineller oder Horst Michael Neutze als nahezu dämonischer Prediger gaben episodenhafte Kabinettstückchen und machen mächtig Eindruck. Dagegen waren die Nebenrollen vorheriger Filme immer etwas beliebig geblieben. Bei den größeren Parts sticht der Böhme Karl Stepanek mit fein nuancierter Mimik hervor. Stepanek war nach Anfängen in Wien seit dem Krieg ein gefragter Schauspieler in England und ist hierzulande recht unbekannt geblieben. Eigentlich waren böse Nazis sein Spezialgebiet, während er im vorliegendem Streifen die etwas unspektakuläre Rolle eines Bankiers in Nöten hatte. Außer ihm sieht man noch zwei weitere Geschäftsleute, die ebenfalls Erpressern zum Opfer fallen. Alle drei haben Söhne und ich gebe zu, dass ich angesichts der Vielzahl an Vätern und Söhnen manchmal etwas den Überblick verloren hatte. Unter den Söhnen sticht immerhin Wolfgang Weisers markantes Gesicht hervor und Helmut Förnbacher kommt schließlich am Ende des Films zur Geltung.

Das Problem des Films waren die Frauen. In keinem anderen Jerry-Cotton-Film wurden sie so stiefmütterlich vernachlässigt. Dabei hatte man mit dem späteren Giallo-Star Dagmar Lassander („La foto proibite di una signora per bene“ 1970), der TV-Krimi-Ikone Helga Anders und dem 1980er Serien-Star Franziska Bronnen illustre Darstellerinnen besetzt. Zugegeben, in anderen Filmen der Reihe hatten die Schönheiten mehr oder weniger nur die Aufgabe, ihre Reize offensiv zu präsentieren. Nicht einmal das! Werner Jacobs wusste so wenig mit ihnen anzufangen, dass sie zu austauschbaren Nebenfiguren verkamen. Also ein purer Männerfilm. 

Nach dem aktionsreichen Vorspann rollt die Handlung zunächst langsam los, um sich dramaturgisch geschickt mit immer mehr Action zu steigern. Und auch die gelingt Regisseur Jacobs ganz eindrucksvoll, solange man die letzte Verfolgungsjagd etwas wohlwollend betrachtet. Der trotz kleiner Schwächen bis dahin beste Beitrag zur Serie eröffnet die Cotton-Farbfilm-Ära. Jacobs hätte noch einen weiteren Jerry-Cotton-Film drehen sollen, was dann aber möglicherweise wegen seines vollen Terminkalenders nicht mehr machbar war. Schade, doch auch nicht ganz so schlimm, denn Harald Reinl konnte für die drei letzten Filme als Regisseur verpflichtet werden und der Serie nochmals einen kräftigen Schub geben.

Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.