Jerry Cotton – Fall Nr.3

Um Null Uhr schnappt die Falle zu

Ein gelangweilter Horst Frank überfordert die FBI-Männer

Der Filmtitel schürte Hoffnung auf originelle Spannung. Die Titelmusik gestaltete Peter Thomas als Up-Tempo-Swing mit Ohrwurm-Qualität im Sound der 1960er Jahre. Mit Horst Frank hatte Jerry Cotton den bis dato prominentesten Gegenspieler. Meine Erwartungen waren also hoch! Mein Wohlwollen ist auch hoch und deswegen lobe ich erst einmal Horst Frank. Der schafft es wirklich, einen ganz individuellen Bösewicht zu kreieren. Larry Link, so der Name, beeindruckt durch kalte Überheblichkeit gepaart mit lustvoll dargestelltem Überdruss. Barfuß mit offenem Hemd sitzt er scheinbar müde und desinteressiert im Liegestuhl - mitten in einem Wasserbad in einer Hochhauswohnung (!). Von dort gibt er mit scheinbarer Langeweile seine brutalen Anweisungen. Dabei sieht er seine Schergen gar nicht an. Wenn diese Informationen aus anwesenden Opfern herausfoltern, stellt er denen die Fragen nicht direkt, sondern richtet sie an seine Schergen. „Was weiß er?“ Und die Schergen geben das weiter ans Opfer: „Was weißt du?“. Nach der ein oder anderen Antwort lässt sich der Gangsterboss gar lasziv vom Stuhl ins Wasser fallen. Nicht einmal die harten Foltermethoden erregen irgendeine Aufmerksamkeit seinerseits. Später, wenn er persönlich außerhalb seines Badebereiches tätig werden muss, sieht man ihn dafür im elegantesten Anzug des Filmpersonals. Horst Franks Gebaren erschafft einen faszinierenden Bösewicht voller Eiseskälte, der in dieser Art selten in deutschen Krimis der Zeit zu finden ist. Dass einige Szenen besonders hart ausfallen, unterstützt diese Wirkung zusätzlich.

Die weibliche Hauptrolle bekleidete die belgische Schauspielerin Dominique Wilms. Sie war bekannt als B-Film-Star im französischen Film der 1950er Jahre. Ungewöhnlicherweise durfte sie eine abgrundtief negative Figur geben, völlig ohne Moral, dafür mit erotischer Lässigkeit. Ja, warum denn nicht einmal eine böse Frau an erster Stelle?  Ein bisschen schief mutet allerdings an, dass sie die aus der Zeit gefallene Ästhetik der 1950er Jahre transportiert, als sei sie eine Femme Fatale des früheren Film Noir amerikanischer Prägung. Marlies Dräger dagegen wirkte in „Dynamit in grüner Seide“ um Längen stylischer und zeitgemäßer. 

Die beiden hervorragenden Schauspieler Gert Günther Hoffmann und Friedrich Georg Beckhaus müssen als amerikanische Kleinkriminelle durchs Geschehen stolpern. Zwischen LKWs und Trucker-Bars wollen sie aber gar nicht amerikanisch wirken, überhaupt erinnerte mich das Milieu eher an Fernfahrer-Imbisse bei Duisburg. Selbst die dunkelhäutige Bardame schien deutsch sozialisiert zu sein.

Worum geht es eigentlich? Um Nitro-Glycerin, mit dem Horst Frank Manhattan in die Luft sprengen will, wenn er nicht 5 Millionen Dollar vom FBI erhält (nicht von der Stadt New York, sondern vom FBI!). In einigen Stunden wird das „Nitro“ explodieren, so heißt es immer wieder mit einem Respekt vor eben diesem „Nitro“, wie sich Schuljungen an der explosiven Wirkung der Chemie begeistern können und folglich sofort Silvesterknaller begehren. Im FBI-Büro läuft die Uhr bis zum voraussichtlichen Knall, aber alles halb so wild! Wir ahnen schon, dass Jerry Cotton New York retten wird, obwohl die FBI-Männer gar nicht mit Kompetenz glänzen können. Insbesondere Mr. High scheint viel weniger nervös als chronisch überfordert zu sein.

Es gibt manche Szenen, die zwar einigermaßen unterhaltsam sind, doch insgesamt ist das alles doch sehr zäh und hölzern inszeniert. Ich lobe zwar gern, aber ich will auch ehrlich sein. Wenn ich mir den Film noch einmal in den DVD-Player lege, skippe ich zu den Szenen mit Horst Frank vor, dann drücke ich die Ausgabe-Taste.

Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.