Der Tod im roten Jaguar
Dr. Mabuse grüßt Jerry Cotton
Gleich zu Beginn wird das Geschlechterbild des Films auch schon final abgearbeitet: Jerry Cotton rettet eine komplette Tanzgruppe junger Frauen in Unterwäsche, die von irgendeinem schlimmen Kerl mit der Maschinenpistole bedroht worden sind. Dafür erntet er den entzückten Dank der reizenden Geschöpfe. Bravo! So, nun kanns aber losgehen mit der eigentlichen Filmhandlung. Und die ist nicht mehr so simpel und geradlinig wie im Vorgänger „Dynamit in grüner Seide“, schließlich schrieb kein geringerer als Herbert Reinecker das Drehbuch. Man kann sich sicher sein, bei Reinecker ist die Story komplexer, ansonsten hätte man ihn gar nicht engagieren müssen. So ganz wohl fühlte sich der Autor mit diesem einfachen Sujet aber nicht, lieber machte er seine Arbeit unter dem Pseudonym „Alex Berg“, so auch in anderen Genre-Filmen der Zeit, die eigentlich unter seinem Niveau liegen. Und so schrieb er denn eine Geschichte mit Mabuse-Elementen; letztendlich konnte man in Deutschland gar nicht anders. Wenn die braven Deutschen 1968 an Kriminalität dachten, war es niemals die profane Welt jugendlicher Straßendelikte. Es ging auch nicht um Drogenhandel und mafiöse Strukturen, so etwas war hierzulande noch unvorstellbar. Viel mehr dachte man an unheimliche Psychopathen, an dämonische Psychiater, letztendlich gespenstische Vorgänge. Psychiater-Bashing war ohnehin für Reinecker eine Dauerfreude, am köstlichsten in der Kommissar-Folge „Ein Amoklauf“ gelungen. „Nein, das passt doch alles nicht zu Jerry Cotton“, würde ich sagen, wenn ich den Film noch nicht gesehen hätte. Ich hab ihn aber gesehen und der fantastische Touch der Verbrechen hat mich wider Erwarten gefangen genommen. Ob mir jetzt der geradlinige Vorgängerfilm oder dieser besser gefällt, bleibt eine Tageslaune.
Die ganz große Show des Films ist Gert Haucke als Killer. Seine eindringliche Darstellung des psychisch kranken Mörders reicht an die besten Performances von Klaus Kinski heran. Allerdings ist es mir ein bisschen viel, dass er sogar ein Kind tötet. Solche Härten braucht man in diesem Genre doch wohl nicht, auch wenn Haucke dadurch noch gestörter wirkt. Als Pendant gibt Carl Lange den furchteinflößenden Psychiater und erweist sich als der Spezialist überhaupt für dieses Fach. Trotz seiner kurzen Rolle überzeugt er fast noch mehr als in dem kurz zuvor entstandenem Edgar-Wallace-Reißer „Die blaue Hand“. Na klar, die ganze Psycho-Nummer ist unsagbarer Schmu, den man angesichts des hohen Unterhaltungswertes aber bereitwillig hinnehmen kann. Dem ganzen Mabuse-Touch steht als Ausgleich Action gegenüber, die ihresgleichen in der Serie sucht. Robert Fuller, der in den USA vor allem durch Western-Serien ein B-Star wurde, wird nicht zuletzt wegen seines markanten Gesichts ein glaubhafter Ganove, der in diesem Film zwar kaum sprechen muss, dafür Jerry Cotton aber in aufregende Verfolgungsjagden und harte Auseinandersetzungen verwickelt, die Regisseur Harald Reinl glänzend inszeniert hat. Besonders die bedrohlichen Szenen in einem leerstehenden Fabrikgebäude bieten einen maximalen Grad an Spannung. Einmal mehr muss ich an dieser Stelle bedauern, dass die Jerry-Cotton-Reihe nicht schon viel früher mit Harald Reinl als Regisseur betraut wurde.
Insgesamt ist „Der Tod im roten Jaguar“ opulent besetzt. Fast möchte ich sagen, dekadent besetzt, denn selbst unspektakuläre oder kleine Rollen sind mit Darstellern ersten Ranges besetzt, zum Beispiel mit Friedrich Schütter, Harry Riebauer, Hans Epskamp oder Ilse Steppat. Den späteren Tatort-Ermittler Kurt Jaggberg dürfen wir zu unserem Vergnügen in der für ihn ungewöhnlichen Rolle eines hassenswerten Millionärs sehen, Herbert Stass als unentschlossener Privatdetektiv ist ebenfalls eine geschickte Besetzung. Grit Böttcher gibt eine bedrohte Millionärsgattin und scheint zunächst die weibliche Hauptrolle spielen zu dürfen, muss aber zur Mitte des Films als Mordopfer herhalten. Eigentlich logisch, denn als Cotton-Partnerin für das Schlussbild wurde sie nicht gebraucht, auch nicht zu irgendetwas anderem in der Handlung und so hat der kluge Drehbuchautor sie dann auch rechtzeitig eleminiert. Eigentlich logisch. Ihre Rolle erinnert stark an ihre Performance in der Kommissar-Folge „Überlegungen eines Mörders“. Die Italienerin Daniela Surina übernimmt den weiblichen Hauptpart für den Rest des Films.
Wieder einmal muss ich den Soundtrack von Peter Thomas hervorhebend loben. Seine seltsam verträumten Dur-Klänge verstärken ausgezeichnet die irreale Welt des psychopathischen Killers, andererseits liefert seine schier endlose Kreativität den reißerischen Sound, der für die Action-Szenen das Salz in der Suppe ist.
Das Ende kann der ganzen Fulminanz des Films nur noch schwer gerecht werden. Dass sich unser Held tatsächlich dem Wagnis hingibt, dem geläutertem Killer so weit zu vertrauen, dass der ihn mit Platzpatronen nur zum Schein erschießt, ist ganz schön starker Tobak. Aber auch Jerry Cotton will gern mal ein bisschen James Bond sein dürfen, der nämlich kurz zuvor in „Man lebt nur zweimal“ ein ähnliches Motiv bemüht hatte. Die Entlarvung des Drahtziehers schließlich überrascht nicht mehr so spektakulär, denn wir alle wissen, dass der dafür bestimmte Schauspieler ansonsten wenig Sinn im ganzen Tohuwabohu gehabt hätte. Trotz dessen: Die Jerry-Cotton-Reihe befindet sich auf ihrem Höhepunkt. „Der Tod im roten Jaguar“ ist in einigen Punkten sogar noch besser geraten als sein geradliniger Vorgänger „Dynamit in grüner Seide“. Dafür müssen wir aber etwas mehr Schmu aushalten.
Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.