Die Rechnung - eiskalt serviert
Billiboy garantiert Sichert in deutschen Landschaften
Sprengstoff war das ganz große Ding im Film um 1966! Schon in dem Jerry-Cotton-Film „Um Null Uhr schnappt die Falle zu“ wurde mit großer Begeisterung immer wieder vom „Nitro“ geredet, wodurch ganz New York in die Luft fliegen sollte. Selbst in Karl-May-Filmen dieser Zeit wimmelte es nur so vor Explosionen. Und der Götz-George-Krimi „Mad Joe – Ich spreng euch alle in die Luft“ nahm das Thema gleich im Titel auf. Im Cotton-Abenteuer „Die Rechnung -eiskalt serviert“ geht es zuallererst einmal um einen jungen Chemiker, an dem verschiedene Bösewichter interessiert sind, denn alle wollen es krachen lassen.
Allerdings kracht es nicht so richtig, denn Regie und Produktion scheinen etwas überfordert gewesen zu sein. Zuallererst ist dem Film anzumerken, dass das Budget nicht ausreichte, um auch nur entfernt an englische und amerikanische Vorbilder anzuknüpfen. Nur 27 Meilen vor New York muss man sich deshalb eine typisch deutschen Landschaft vorstellen können. Leere Bundesautobahnen im Bau, umsäumt von Fichtenwälder, Kiefernwäldern; dazwischen kleine Äckern und Wiesen. Hier konnte man kostengünstig ein bisschen Explosion und viel Rauch auf die Beine stellen. Auch das finale Action-Spektakel leidet mächtig. Vor einer trüben Rückprojektion, auf der New York von oben zu sehen sind, sieht man gestochen scharf einen Hubschrauber, in dem die Bösewichter sitzen und an dessen Kufen Jerry Cotton hängt. Wenn der Hubschrauber mühsam zum Wackeln gebracht wird, offenbart sich einmal mehr die Not des Films. Das ist letztendlich das Problem eines jeden deutschen Action-Films: Während sich zum Beispiel die James-Bond-Filme international vermarkten ließen, reichte es aus, einen einzigen zu drehen, während in Deutschland in der gleichen Zeit vier Jerry-Cotton-Filme gedreht werden mussten, um auf zufriedenstellende Einspielergebnisse zu kommen. Und dabei stand hier der Produktion ein leicht höheres Budget als in der Vorgängern zur Verfügung. Mangelnde Action hätte man durch Charme und Stil ausgleichen können, nur sind das ausgerechnet nicht gerade die deutschen Spezialgebiete.
Immerhin sehen wir eine Bar, in der wirkliche schöne Jazz-Standards gesungen werden. Die Französin Yvonne Monlaur als Sängerin und Freundin des jungen Chemikers war eine gute Besetzungswahl, um wenigsten eine Prise Kosmopolitismus ins Geschehen zu bringen. Aber ganz schnell wird es wieder steif. Symptomatisch dafür ist Horst Tappert als Gangster im Maßanzug. Sein populäres Ganoven-Image dieser Zeit rührte von dem phänomenalen Erfolg des Postzugraub-Dreiteilers „Die Gentleman bitten zur Kasse“. Ein piekfeiner Gentleman-Gangster mit Intelligenz und Durchsetzungskraft als New Yorker Gangsterboss? Bevor wir uns falsch verstehen: Tappert hat wirklich eine starke Präsenz in dieser Rolle. Doch damit die funktioniert, hätte er einen kontrastierenden Kontext gebraucht. Doch so verstärkt ausgerechnet er unfreiwillig den provinziellen Touch des Films. Sehr schade, war doch sein Gangsterboss nach Horst Franks brillanter Performance im Vorgänger „Um Null Uhr schnappt die Falle zu“ eigentlich die perfekte Abwechslung. Doch fairerweise will ich nicht unerwähnt lassen, dass Tapperts Zusammenspiel mit Gangsterbraut Birke Bruck dann doch ein wenig Charme hat. Weil sie nur an ihrem Pin-Up-Styling interessiert ist, fühlt er sich fortwährend genötigt, sie genau dafür zu rügen. Der Boss muss sich schließlich konzentrieren können. Ein bisschen Humor ist also doch da. Außerdem unfreiwillig sehr lustig ist der Umstand, dass Arthur Brauss als „Billiboy“ (!) Sicherheit garantiert. Hier nicht der Allgemeinheit, sondern nur seinem Verbrecherboss.
Neben Horst Tappert sah man deutsche Schauspielgrößen wie Walter Rilla, Ulrich Haupt und Richard Münch, deren darstellerisches Können durch eine nicht immer geschickte Synchronisation erheblich beschnitten wurde. Kein Wunder, dass das Fernsehen langsam die Oberhand über das deutsche Kino bekommen sollte: Walter Rilla erlebte man in einer verwandten Rolle in der Kommissar-Folge „Keiner hörte den Schuss“ viel überzeugender und Ulrich Haupt konnte mit eigener Stimme in der Kommissar-Folge „Mykonos“ einen exzellenten Großkriminellen präsentieren. Auch hier wieder schade, denn Ulrich Haupt war eine vortreffliche Besetzungswahl für genau diese Rolle.
Selbst Komponisten-Koryphäe Peter Thomas verfranzte sich diesmal bei der Titelmusik in seinen vielen Ideen, machte das im weiteren Filmscore aber allemal wieder wett. Er nahm partiell sogar Burt Bacharachs charmanten Easy-listening-Sound vorweg. Durch die vielen Mankos brauchte ich einige Zeit, um mich auf die Handlung einzulassen, obwohl die Story von Georg Hurdalek eigentlich sehr brauchbar geraten war. Nur wer den Vorteil hat, mit deutscher Bescheidenheit gesegnet zu sein, kann dem Film einiges abgewinnen, denn man ließ hier nur Rauchbomben zünden und Tischfeuerwerk krachen.
Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.